Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) schließt Leistungskürzungen bei der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht grundsätzlich aus. „Ich bin für Maßnahmen für eine bessere Steuerung, für eine Effizienzhebung im System, gegebenenfalls eben auch Leistungskürzungen“, sagte Warken in der Regierungsbefragung im Bundestag.
Warken war nach einem Vorschlag des Parlamentarischen Staatssekretärs Tino Sorge für einen Basistarif in der Krankenversicherung gefragt worden. Dieser konkrete Vorschlag werde nicht in ihrem Ministerium erarbeitet, sondern könne in der anstehenden Reformkommission für die gesetzliche Krankenversicherung weiter besprochen werden, sagte Warken. Sorges Vorschlag zielt auf günstigere Tarife in der Krankenversicherung für eine „gute Grundversorgung“ ab, wie der CDU-Politiker sagte.
Warken kündigte an, die Reformkommission werde früher als ursprünglich geplant, nämlich im Frühjahr, erste Ergebnisse liefern. In dem Gremium würden alle Vorschläge für die Ein- und Ausgabenseite, gegebenenfalls auch Leistungskürzungen, besprochen. Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen hielt Warken daraufhin vor, dass sie Leistungskürzungen nicht mehr ausschließe.
Die Debatte um grundsätzliche Reformen bei der Krankenversicherung hat durch die aktuellen Finanzzahlen neue Brisanz bekommen. Warken bezifferte die Lücke bei der Krankenversicherung auf vier Milliarden Euro. Allein im ersten Halbjahr waren die Kassen-Ausgaben auf 166,1 Milliarden Euro gestiegen – Tendenz weiter steigend. Die Koalition will einen für 2026 erneut bei vielen Kassen drohenden Anstieg der Zusatzbeiträge aber noch möglichst verhindern.
Warken präzisierte, dass wegen des drohenden Beitragsanstiegs derzeit über „kurzfristige, mittel- und langfristige Maßnahmen“ gesprochen werde. Sie sagte, kurzfristig sei die Frage, ob zusätzlich Unterstützung aus dem Bundeshaushalt möglich sei und ob es weitere Maßnahmen geben solle. Bereits für 2025 und 2026 sind Milliardendarlehen für die Krankenversicherung vorgesehen. Auch ein gewährtes Milliardendarlehen muss die Krankenversicherung später als bisher geplant zurückzahlen.
Selbst wenn es gelingt, die Finanzlücke für 2026 zu stopfen, sind weitere Kosten- und somit Beitragssteigerungen ohne möglicherweise einschneidende Reformen absehbar. Die Kommission, die weitergehende Vorschläge machen soll, wird nach Auskunft Warkens mit einem interdisziplinären Spektrum hochkarätiger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besetzt sein und „keinen Denkverboten“ unterliegen.
Die Kassen sehen in der aktuellen Debatte hingegen wenig Maßnahmen, mit denen die Ausgabendynamik wirklich gestoppt werden könnte. „Es muss in allen Leistungsbereichen der Ausgabenzuwachs gedämpft werden. Kurzfristig geht dies nur durch eine strikte Orientierung der Ausgaben- an der Einnahmenentwicklung. Ausgabenzuwächse von bis zu 10 Prozent sind für die beitragszahlenden Versicherten und Arbeitgeber inakzeptabel. Dazu hat der GKV-Spitzenverband (GKV-SV) einen konkreten, richtigen Umsetzungsvorschlag gemacht. Viel Geld sparen könnte die GKV auch, wenn der Mehrwertsteuersatz für Arznei- und Hilfsmittel endlich auf 7 Prozent begrenzt würde. Es erschließt sich uns nicht, warum dies in der Gastronomie möglich sein soll, nicht aber im Bereich gesundheitsrelevanter Arznei- und Hilfsmittel“, so Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek).
Mögliche Basistarife könnten die GKV-Ausgaben hingegen nicht begrenzen, denn die Leistungsübernahme sei bereits auf das medizinisch Notwendige begrenzt, so Elsner weiter. „Entsprechend hätte ein Basistarif mit gleichbleibendem Leistungskatalog keinen Spielraum für einen niedrigeren Beitrag. Sollten hingegen einzelne Leistungen nur noch über Extratarife möglich sein, würde das Solidaritätsprinzip der GKV und damit letztlich der gesellschaftliche Zusammenhalt aufgeweicht.“
Die Stabilisierung der Beitragssätze habe absolute Priorität. „Um weitere Beitragssatzsteigerungen 2026 und 2027 zu verhindern, brauchen wir erstens verbindliche Zusagen über mehr Steuergelder zur Refinanzierung versicherungsfremder Leistungen, zweitens strikte Maßnahmen zur Begrenzung der starken Ausgabenentwicklung und drittens rasche Strukturreformen, die die Versorgung verbessern, aber nicht weiter verteuern.“ Passiere nichts, würden die Beitragssätze 2026 weiter steigen.
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