Es gibt Momente, da sitzt man als Apothekerin da und denkt sich nur: WTF. Diese Situationen mehren sich in den letzten Jahren. Und viele haben mit den lustigen Versendern aus nachbarlandigen Apothekenbuden zu tun. Ein Kommentar von Astrid Janovsky.
Ich denke, der Begriff „Bude“ trifft es tatsächlich. Im Unterschied zu den sorgsam gepflegten und mit bürokratischen Argusaugen überwachten Apotheken innerhalb der Landesgrenzen. Argus heißt in dem Fall Pharmazierat (oder -rätin) und ich kenne keine Apotheke, die nach dessen/deren Freundschaftsbesuch nicht irgendwelche oft obskuren betrieblichen Maßnahmen ergreifen musste. Da wird reklamiert, dass am Laborkittel kein Bündchen ist oder irgendwo eine Mauerritze, in der sich Staub ablagern könnte. Mir selbst ist die Beanstandung begegnet, dass Kund:innen am Weg zum Blutdruckmessen ein Stück an der Sichtwahl vorbeigehen würden. Was für ein Skandal.
Sprechen wir doch mal über die Sichtwahl: In der Vor-Ort-Apotheke akribisch räumlich vom Selbstgreifsortiment (das in den allermeisten Apotheken für den Bezahlvorgang auch durch Fachpersonalhände geht, nur so als Randbemerkung) getrennt, vermisse ich diese Vorgabe bei den Onlineapotheken total. Da gibt’s keinen Fransenvorhang, wie früher in den Videotheken bei den Erwachsenenfilmen, der die unproblematische (wir wissen alle, das dem nicht immer so ist) von der potentiell problematischen Ware trennt. In der digitalen Welt ist alles Freiwahl. Warum wird hier mit zweierlei Maß gemessen?
Und wenn wir schon beim Trennenden des angeblich ja so vergleichbaren Arzneimittel-Vertriebsweges sind: Warum muss der Onlineversender, der sich als vollwertige Apotheke sieht, nicht die gleichen Pflichten erfüllen? Wie kommt es, dass jede einzelne Vor-Ort-Apotheken zig Notdienste im Jahr ableistet, die in den seltensten Fällen kostendeckend sind und massiv an der Personalkapazität zehren, und sich der Versender kurz nach der Grenzlinie bei dem Thema entspannt zurücklehnt? Sollte es dann nicht zumindest Abschlagszahlungen geben, um die Vor-Ort-Deppen, die die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung aufrechterhalten, in einem Solidarmodell zu unterstützen?
Ähnliches würde ich mir auch für rosinenpickerische Rezeptbelieferung wünschen: Keine BtM-Abgabe? Solidaritätszuschlag. Keine Kühlwarenlieferung? Solidaritätszuschlag. Keine Rezeptur? Solidaritätszuschlag. Und um sich mit minimalen Einzelfällen nicht selbst aus dem Sumpf zu ziehen, würde ich als Benchmark die Abgaben einer Durchschnittsapotheke nehmen und das auf den Onlineversender hochrechnen. Wird das nachweislich nicht erbracht, dürfen die deutschen Apotheken beim holländischen Nachbarn die kollegiale Hand aufhalten.
Es kann doch nicht sein, dass die Vor-Ort-Apotheken, die zweifelsfrei eine wichtige Säule der deutschen Gesundheitsversorgung sind, manierlich mit Messer und Gabel am Tisch sitzen (müssen) und den Kuchen unter sich aufteilen, während da einer (dessen Abwesenheit den Lauf der Welt nicht ändern würde) kommt und einfach mit der orangen Zunge über den Zuckerguss schleckt.