Wie auch in den Vorjahren hat sich die Anzahl der Apotheken im ersten Halbjahr in allen Kammerbezirken weiter verringert. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag, Lena Saniye Güngör, warnt vor dem Verlust wohnortnaher Gesundheitsversorgung und fordert den Bund zum Handeln auf.
„Wenn Apotheken verschwinden, verschwindet auch ein Stück Gesundheitsgerechtigkeit. Es geht nicht um nostalgische Nahversorgung, sondern um reale Barrieren für Menschen, die auf Arzneimittel und Beratung angewiesen sind“, betont Güngör. Das Apothekensterben sei dabei weder ein Naturereignis noch ein betriebswirtschaftlicher Kollateralschaden, sondern der Ausdruck politischer Entscheidungen und Unterlassungen – insbesondere auf Bundesebene.
„Die Bundesregierung hat über Jahre die Apotheken im Stich gelassen. Ein seit über zehn Jahren nicht angehobenes Fixhonorar, steigende Betriebskosten und höher gewordener bürokratischer Aufwand haben viele Apotheken in eine ökonomische Sackgasse geführt“, erklärt die Psychologin. Dieser Vorwurf richte sich dabei an eine ganze Reihe von Bundesregierungen, die Apothekenleistungen klein gerechnet und gleichzeitig ihre Verantwortung auf Versandhandel und Markt ausgelagert hätten.
Außerdem komme die Nachwuchsförderung zu kurz, auch in Thüringen. Bis heute stehe an der Universität Jena lediglich eine Kapazität von 75 Pharmazie-Studienplätzen pro Jahr zur Verfügung und das trotz eines geplanten Neubaus des pharmazeutischen Instituts bis 2027. Dass dieser Neubau ohne Kapazitätsausweitung geplant ist, ist aus Sicht der Linken nicht hinnehmbar. „Wer die Versorgung sichern will, muss jetzt die strukturellen Weichen dafür stellen und das heißt: mindestens 100 Studienplätze jährlich, wie es auch die Apothekerschaft selbst fordert“, so die Fachpolitikerin.
Besonders deutlich zeige sich, dass das Problem strukturell sei an der dramatisch steigenden Altersstruktur unter Apothekerinnen und Apothekern, so die Linken Politikerin. „Wenn in den nächsten zehn Jahren rund die Hälfte der approbierten Fachkräfte in Thüringen in den Ruhestand geht, dann ist das keine Warnung, sondern ein Alarm“, betont sie. „Und wenn die Bundesregierung dann lieber über Medikationsautomaten spricht als über echte Standortsicherung, macht sie sich mitverantwortlich für ein Zwei-Klassen-System zwischen Stadt und Land.“
Aus Sicht der Fachpolitikerin müsse jetzt sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene gehandelt werden. „Wir brauchen eine Honoraranpassung, die diesen Namen verdient, wir brauchen weniger unsinnige Bürokratie und wir brauchen eine Ausbildungsoffensive mit einer klaren Land-Perspektive“, so Güngör. Entscheidend sei dabei, dass die Apotheke vor Ort nicht nur überlebt, sondern in ihrer Rolle als niedrigschwellige, oft erste Anlaufstelle gestärkt werde und das auch durch neue Konzepte wie Polikliniken oder interdisziplinäre Gesundheitszentren.
Gute Versorgung dürfe keine Frage des Wohnorts sein. Wer das Apothekensterben hinnehme, breche das Versprechen gleichwertiger Lebensverhältnisse. „Die Apotheken sind Teil der Lösung. Es wird höchste Zeit, sie politisch so zu behandeln“, so Güngör.
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