„Wir haben Dealer in weißen Kitteln geschaffen“, das hatte der CDU-Gesundheitspolitiker und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Hendrick Streeck, im Oktober in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) erklärt. Hintergrund war das von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) eingebrachte Medizinalcannabisgesetz, mit dem die Online-Verschreibung und der Versand von Cannabis verboten werden sollen. Andere Wirkstoffe und Arzneimittel dürften dagegen nach wie vor verschickt werden. Änderungen sind dort bisher nicht geplant, hatte die Gesundheitsministerin bei verschiedenen Gelegenheiten erklärt.
Streeck postete sein Interview auch auf seinem LinkedIn-Kanal und erntete Kritik. Mit der Gesetzesänderung würde Medizinalcannabis künftig härter reguliert als Opiate, kritisiert Finn Hänsel von Sanity. „Damit werden Medizinalcannabis-Blüten künftig härter reguliert als Opiate wie zum Teil Tilidin und Tramadol. Worin soll da der Sinn liegen? Sie wollen ‚Drogen nicht gegeneinander aufrechnen‘, aber stellen jetzt ein süchtig machendes, nebenwirkungsreiches Arzneimittel wie Tilidin oder Tramadol besser als Cannabis? Welcher Logik folgt diese Priorität?“, fragte Hänsel.
Das sehe Streeck anders: Die Aussage, Medizinalcannabis werde künftig härter reguliert als Opiate, greife zu kurz. Cannabis sei bewusst aus dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) herausgenommen. Cannabisblüten blieben damit verschreibungspflichtig, seien aber nicht mehr BtM-pflichtig – „im Gegensatz zu bestimmten Opioiden wie Tilidin oder anderen stark wirksamen Schmerzmitteln, die weiterhin unter das BtMG fallen“, erklärte der Politiker. Handlungsbedarf sehe er allein wegen des „erheblichen Missbrauchs“, der seit der Teillegalisierung zu beobachten sei. Das sei bei anderen Wirkstoffen nicht gegeben.
Hänsel widersprach: „Wenn Tilidin weniger als 50 mg pro Einzeldosis enthält oder in Kombination mit Naloxon verabreicht wird, ist es, ebenso wie Tramadol, eben nicht als Betäubungsmittel reguliert. Und somit kann es von Apotheken an Patienten versendet und auch telemedizinisch verschrieben werden“, betonte er. Es gebe in Deutschland rund drei Millionen Opiat-Patienten und weniger als eine Million Cannabis-Patienten. Zwar müsse Missbrauch natürlich unterbunden werden, doch dazu gebe es bessere Wege.
„Wir beobachten die Verschreibungspraxis von Opioiden wie Tilidin und Tramadol genau und sehen dort einen rückläufigen Trend. Sollte sich das ändern und Hinweise auf Missbrauch zeigen, würden wir selbstverständlich ebenfalls gegensteuern“, versicherte Streeck. Tilidin werde zudem in Kombination mit Naloxon verabreicht, weil Naloxon die euphorisierende Wirkung bei übermäßigem Gebrauch blockiere und so gezielt Missbrauch verhindere. „Einen solchen pharmakologischen Schutzmechanismus gibt es bei Medizinalcannabis nicht“, argumentierte er.
Medizinalcannabis habe zwar seinen Platz – etwa bei therapierefraktärer Spastik, neuropathischen Schmerzen oder seltenen Epilepsien. Der Anstieg von 8 auf 43 Tonnen pro Quartal lasse sich damit jedoch nicht erklären. „Rezepte ohne Klarnamen und Lieferungen an die Straßenecke zeigen, dass Regulierung nötig ist“, findet er.