50.000 Euro Strafe pro Verstoß

Rx-Boni: Das Zaudern der Preiswächter

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Berlin -

Die Rx-Preisbindung gilt – so steht es im Sozialgesetzbuch (SGB V), im Heilmittelwerbegesetz (HWG) und im Rahmenvertrag. Und trotzdem gewähren DocMorris & Co. ihre Boni, ohne dass ihnen die verantwortlichen Stellen auf die Finger klopfen würden. Warum ist das so?

Dass verschreibungspflichtige Arzneimittel einen einheitlichen Abgabepreis haben, hat einen guten Grund: Kranken Menschen soll nicht zugemutet werden, auf der Suche nach dem besten Schnäppchen erst noch die Apotheken im Umkreis abzuklappern. Und Apotheken sollten sich einen Wettbewerb um die beste Qualität liefern und keine Preisschlachten. Ohnehin werden die Kosten von den Krankenkassen übernommen. So gesehen dürfte es eigentlich gar keine Boni für Versicherte geben, denn die tragen nur die Zuzahlung, und die soll bekanntlich die Inanspruchnahme steuern.

Die Krankenkassen sollen aber auch keine Nachlässe erhalten, denn sie sollen keine Apotheke bevorzugen, weil alleine der Patient entscheiden darf, wo er sein Rezept einlösen will. In diesem Dreiecksverhältnis des Sachleistungsprinzips ist also per se schon überhaupt kein Platz für Vergünstigungen.

Vier Regelungen zur Preisbindung

Dass es einen einheitlichen Abgabepreis gibt, ergibt sich aus § 78 AMG. Dort wird nicht nur festgeschrieben, dass die Preisspannen per Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) festgeschrieben werden. Weiter heißt es: „Ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für Arzneimittel, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind, ist zu gewährleisten.“

Für die Apotheken ist die Preisbindung in § 129 Abs. 3 SGB V geregelt: „Bei der Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte als Sachleistungen sind Apotheken, für die der Rahmenvertrag Rechtswirkungen hat, zur Einhaltung der in der nach § 78 des Arzneimittelgesetzes erlassenen Rechtsverordnung festgesetzten Preisspannen und Preise verpflichtet und dürfen Versicherten keine Zuwendungen gewähren.“

Spiegelbildlich heißt es dazu in § 5 Rahmenvertrag konkret zum Beitritt ausländischer Versandapotheken: „Für Abrechnungen unter den Voraussetzungen nach Satz 1 gelten die Preisvorschriften nach § 78 AMG sowie § 7 Heilmittelwerbegesetz (sog. Rabattverbot).“

Und § 7 HWG besagt schließlich: „Zuwendungen oder Werbegaben [in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag] sind für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes oder des SGB V gelten.“

Ursprünglich war in § 78 AMG mit Blick auf die ausländischen Versender seit 2012 zusätzlich ein Hinweis enthalten, dass die Preisbindung auch für Arzneimittel gilt, die „in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden“. Dies war vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) 2016 für unzulässig erklärt worden; mit dem Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) war dies in § 129 SGB V überführt worden.

Schiedsstelle soll Vertragstreue prüfen

Parallel wurde auch geregelt, dass eine gemeinsame Schiedsstelle über die Einhaltung der Preisbindung wacht. Der sogenannten Paritätischen Stelle, die Geldstrafen oder gar einen Ausschluss vom Rahmenvertrag aussprechen kann, gehören je drei Mitglieder von Deutschem Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband an.

Wie hoch die Strafe bei Verstößen gegen die Preisbindung ausfallen kann, ist sogar direkt im SGB V geregelt: Bei einem „gröblichen oder einem wiederholten Verstoß“ gegen den durch den Beitritt anerkannten einheitlichen Abgabepreis können bis zu 50.000 Euro pro Verstoß verhängt werden, „wobei die Gesamtvertragsstrafe für gleichgeartete und in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang begangene Verstöße 250.000 Euro nicht überschreiten darf“. Theoretisch wäre sogar ein vorübergehender Ausschluss von der „Berechtigung zur weiteren Versorgung bis zur vollständigen Begleichung der Vertragsstrafe“ möglich.

Angst vor Schadenersatz

Insbesondere die Kassen haben bislang wenig Interesse gezeigt, für die Einhaltung der Preisbindung zu sorgen. Doch auch der DAV glänzt nicht gerade durch großes Engagement. Denn er könnte Verfahren theoretisch sogar im Alleingang einleiten: Für Entscheidungen über die Einleitung und die Verhängung von Sanktionen genügt die Hälfte der Stimmen, sodass die Apothekerseite theoretisch auch alleine Beschlüsse treffen könnte.

Doch laut dem DAV-Vorsitzenden Dr. Hans-Peter Hubmann könnten die einzelnen Mitglieder dann von der betroffenen Versandapotheke persönlich haftbar gemacht werden, sollte ihre Entscheidung am Ende von einem Gericht doch noch für unzulässig erklärt werden. Der DAV hatte vor einigen Jahren sogar ein Gutachten in Auftrag gegeben, das offenbar zu diesem Ergebnis kam.

Im Rahmenvertrag musste der DAV sogar hinnehmen, dass er im Zweifel alleine für die Entscheidung gerade stehen muss: „Das Haftungsrisiko tragen der GKV-Spitzenverband und der DAV je nach den Stimmanteilen der für die Entscheidung maßgeblichen Mitglieder, die den Antrag für begründet halten und die sich zugleich für die konkrete (gegenüber der Apotheke verhängten) oder eine höhere Strafe ausgesprochen haben“, heißt es dort.

Dass Schadenersatzklagen drohen, klingt natürlich auf den ersten Blick weit hergeholt, da ja „nur“ Geldstrafen verhängt werden können und ein kompletter Ausschluss vom Rahmenvertrag als Sanktion nur im Zusammenhang mit anderen Verstößen, aber eben nicht bei Preisbrechern vorgesehen ist.

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