Zulassung als Streithelfer beantragt

Pharma Deutschland: KARL stoppen

, Uhr aktualisiert am 11.07.2025 13:35 Uhr
Berlin -

Die Kommunalabwasserrichtlinie (KARL) erhitzt die Gemüter und stellt eine Gefahr für die Arzneimittelversorgung dar. Wesentliche Fragen sind noch unbeantwortet. Daher fordert Pharma Deutschland, die Umsetzung zu stoppen.

KARL sieht eine vierte Klärstufe vor. Mindestens 80 Prozent der Kosten für deren Bau und Betrieb sollen nach dem Verursacherprinzip auf die Arzneimittelhersteller und die Kosmetikindustrie umgelegt werden. Die Pharmaindustrie schlägt Alarm. Durch die finanzielle Mehrbelastung lassen sich viele Humanarzneimittel nicht mehr kostendeckend in Deutschland oder Europa vertreiben. Die Folge: Versorgungsengpässe. Dass KARL der Sargnagel für die europäische Produktion sein könnte, wurde im APOTHEKELIVE deutlich.

Bereits im März haben sieben Mitgliedsunternehmen von Pharma Deutschland Klage gegen KARL eingereicht. Jetzt hat Pharma Deutschland die Zulassung als Streithelfer zum Klageverfahren seiner Mitgliedsunternehmen vor dem Europäischen Gericht (EuG) beantragt.

Pharma Deutschland fordert, die Umsetzung der KARL bis zur Klärung wesentlicher Fragen auszusetzen. Hintergrund der Forderung sind die auch aus anderen europäischen Staaten formulierten, umfassenden und grundsätzlichen Kritikpunkte sowie die Ankündigung der Europäischen Kommission Anfang Juni, die durch die erweiterte Herstellerverantwortung entstehenden Kosten und Auswirkungen auf die betroffenen Sektoren zu prüfen.

„Umsetzung stoppen“

„Die Kommunalabwasserrichtlinie ist in ihrer jetzigen Fassung am Ende. Die Europäische Kommission sollte jetzt die Umsetzung stoppen und im Lichte des Ergebnisses der Überprüfungen der Kosten und Auswirkungen der Herstellerverantwortung auf die betroffenen Sektoren einen Neustart wagen“, sagt Jörg Wieczorek, Vorstandsvorsitzender von Pharma Deutschland. „Es gibt in der EU keine Institution, die die Kommunalabwasserrichtlinie noch inhaltlich verteidigt. Das stärkste Argument der Befürworter ist, dass das kommunale Abwasser europaweit eine vierte Klärstufe braucht und dass dies irgendjemand bezahlen muss.“

Weil aber die Beseitigung von Spurenstoffen aus dem Abwasser eine dringende und gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei, dürfe mit der aktuellen und völlig unzulänglichen Richtlinie keine wertvolle Zeit vertrödelt werden. „Jetzt müssen erst die Fakten geklärt werden. Anschließend geht es an die gerechte Verteilung der Kosten. Dass das alles schon längst hätte passieren müssen, kann kein Argument für ein ‚Weiter-so‘ sein.“

Mit KARL soll ein Anreiz geschaffen werden, auf ökologische oder nachhaltigere Produkte umzustellen. Doch für Pharmaunternehmen ist dies nicht möglich, weil der gewünschte Arzneimitteleffekt fest mit den jeweiligen Wirkstoffen verbunden ist. Hinzukommt, dass sich die zu beseitigenden Spurenstoffe in den kommunalen Abwässern nicht nur auf Humanarzneimittel oder Kosmetika zurückführen lassen.

Auch Pro Generika fürchtet Milliardenkosten, die zu verstärkten Arzneiengpässen in Deutschland führen könnten. Da im Erstattungssystem hierzulande die Arzneimittelpreise nicht einfach erhöht werden könnten, drohe die Produktion von einigen Medikamenten unwirtschaftlich zu werden. Besonders betroffen sei das Diabetes-Medikament Metformin. KARL würde zu einem Rückzug von Herstellern führen; fast drei Millionen Patienten müssten dann auf teurere Alternativen umsteigen.

Nicht nur Pharma klagt

Doch nicht nur Pharmaunternehmen klagen: Beim Gericht der EU wollen nun auch der Bundesverband der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sowie der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) in den Rechtsstreit gegen eine Kostenübernahme eintreten. Wie ein Gerichtssprecher bestätigte, sind bereits insgesamt 16 Nichtigkeitsklagen anhängig. Bei einer Nichtigkeitsklage werden Rechtsakte überprüft, die von den verschiedenen EU-Organen erlassen werden.

Verbände wollen EU-Institutionen unterstützen

VKU und BDEW wollen nun ebenfalls als Streithelfer vor Gericht das Europäische Parlament und die EU-Länder unterstützen und damit „die Wahrnehmung der Interessen der deutschen Wasserwirtschaft in dem Verfahren sicherstellen“, wie sie mitteilten. Über den Antrag muss noch entschieden werden.

Auch der deutsche Städtetag hatte sich kritisch geäußert. Wenn die Herstellerverantwortung wegfalle, landeten die höheren Reinigungskosten für Abwasser bei den Gebührenzahlerinnen und -zahlern in Städten, warnte er.

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