EuGH-Urteil

Kompromiss bei Lieferbeschränkungen

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Pharmahersteller nutzen nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ihre marktbeherrschende Stellung missbräuchlich, wenn sie sich weigern, bestimmte Großhändler zu beliefern, um auf diese Weise Parallelexporte zu verhindern. Allerdings räumen die EU-Richter in ihrem aktuellen Urteil den Konzernen einen gewissen Spielraum ein, um ihre geschäftlichen Interessen zu schützen. Die Definition dieses Freiheitsgrades ist allerdings wiederum Sache der Mitgliedstaaten.

Das Vorlageverfahren aus Griechenland beschäftigt die EU-Richter bereits seit einigen Jahren: Im November 2000 hatte die griechische Tochter des Pharmakonzerns GlaxoSmithKline (GSK) Lieferungen griechischer Großhändler eingestellt und stattdessen mit der Direktbelieferung der Apotheken und Kliniken begonnen. Im Februar 2001 wurde zwar bestimmte Kontingente wieder zur Verfügung gestellt, doch Großhändler- und Apothekerverbände beschwerten sich bei der griechischen Wettbewerbskommission. Im Mai 2005 lehnte der EuGH deren Vorlage ab, da diese nicht als Gericht anzusehen und damit nicht zur Anrufung des EuGH berechtigt sei. Schließlich legte das Athener Berufungsgericht den Fall erneut vor.

Den EU-Richtern zufolge dienen Parallelimporte den Interessen der Endverbraucher, da sie preiswerte Alternativen darstellen. Auch könnten Hersteller trotz staatlicher Preisregulierung sich nicht den gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln entziehen. Insofern seien Lieferverweigerungen von Unternehmen in marktbeherrschender Stellung - also beispielsweise von Produzenten patentgeschützter Arzneimittel - als missbräuchlich anzusehen.

Allerdings müssten Unternehmen angemessene Maßnahmen ergreifen können, um ihre geschäftlichen Interessen zu schützen. Wie weit diese Maßnahmen gehen dürfen, also wo bei Bestellungen von „anormalen Mengen“ gesprochen werden kann, müssen laut EuGH nicht die Konzerne, sondern die nationalen Aufsichtsbehörden klären.

Entsprechend wiesen die EU-Richter die Frage, ob die Bestellungen in Anbetracht der früheren Geschäftsbeziehungen des Pharmaunternehmens mit den betroffenen Großhändlern und des Umfangs der Bestellungen im Verhältnis zum Bedarf des betreffenden Mitgliedstaats normal sind, an das griechische Gericht zurück.

Insofern dürfte das Urteil zunächst alle Beteiligten zufriedenstellen: Die Großhändler müssen nicht länger auf Zuweisungen seitens der Hersteller hoffen, die Pharmafirmen müssen dem Parallehandel ihrer Produkte nicht gänzlich untätig zusehen, die Reimporteure sind im EU-System verankert. Welche Behörden für die Überwachung zuständig sein werden und wie weit die Transparenz gehen wird, muss sich zeigen. Für Exklusivvetriebsmodelle (Direct to pharmacy, DTP) lässt sich wenig ableiten, da die Art der Auslieferung nicht tangiert wird.

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