Kommentar

Aber meine Apotheke doch nicht!

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München -

Die Mehrheit der Apotheker sieht aus Sicht der ABDA-Spitze „verhalten positiv“ in die Zukunft. Das betrifft aber nur die Einschätzung für den eigenen Laden: Mit der Branche an sich wird es nämlich aus Sicht der der meisten Apotheker bergab gehen. Auf der Suche nach der Wahrheit kann sich so jeder seine Statistik aussuchen. Ein Kommentar von Alexander Müller.

500 Apotheken hat die ABDA befragen lassen, welche wirtschaftliche Entwicklung sie in den nächsten zwei bis drei Jahren erwarten. 39 Prozent sagten, dass es etwas schlechter wird, 12 Prozent „deutlich schlechter“. 37 Prozent vermuten, dass die Lage unverändert bleibt. Damit bleiben knapp 12 Prozent für die Antwort „etwas besser“. Das halbe Prozent Apotheker, das von einer deutlich verbesserten Lage ausgeht, verfügt ganz offenbar schon über eine sehr gute Lage.

Wie aber passt dieses negative Stimmungsbild zu der Überschrift der ABDA, die Apotheker seien „verhalten optimistisch“? Ganz einfach: Die Apotheker wurden zusätzlich zu ihrer eigenen Apotheke befragt. Und tatsächlich: Ein Drittel erwartet eine Verbesserung für den eigenen Betrieb, „nur“ 28 Prozent eine Verschlechterung. Der Rest erwartet Stagnation.

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt findet diese Diskrepanz nicht verwunderlich. Er kennt das aus eigenen Gesprächen. Auf ihre eigene Situation angesprochen, antworteten auch ansonsten pessimistische Kollegen häufig: „Naja, eigentlich alles ok.“

Die grundpositivere Haltung dem eigenen Schicksal gegenüber erwächst Schmidts Argumentation zufolge aus einem Gefühl der Einflussnahme: Während der Apotheker die politischen Rahmenbedingungen hinnehmen muss, hat er vor Ort das Heft des Handelns selbst in der Hand. Dieses Gefühl, Herr über das eigene Schicksal zu sein, stimmt die Apotheker demnach positiv.

Das ist ein nachvollziehbarer Gedanke. Die Frage ist, welche Schlüsse man daraus zieht. Der ABDA-Präsident will der Selbsteinschätzung der Kollegen trauen und misst dem positivem Votum daher ein größeres Gewicht bei. Dieser Wert sei „wertvoller“ für ihn, sagte er bei der Präsentation der Zahlen.

Dahinter steht vermutlich wiederum der Gedanke, dass der Einzelne zwar sein direktes Umfeld kennt, das große Ganze und seine Entwicklung aber gar nicht abschätzen kann. Eine chronische Überbetonung des Negativen in den Medien trägt demnach zu dieser Verzerrung bei. So ließe sich erklären, warum der ABDA-Präsident auf die Selbsteinschätzung der Kollegen setzt.

Aber ist es nicht ebenso wahrscheinlich, dass viele Inhaber ihre eigene Apotheke und deren zukünftigen Chancen am Markt positiver bewerten, als sie in Wahrheit dastehen? Einfach, weil sie eine emotionale Bindung zu ihrem Geschäft haben. Es gibt den sogenannten Endowment-Effekt: Was wir besitzen, empfinden wir als wertvoller, als das, was wir nicht besitzen. Die meisten Menschen verkaufen zum Beispiel Dinge nicht zu dem Preis, zu dem sie einkaufen würden. Es hält sich wahrscheinlich auch jeweils mehr als die Hälfte der Bevölkerung für einen überdurchschnittlich guten Autofahrer, Liebhaber etc. Diese Unschärfe sollte man ebenfalls nicht vernachlässigen.

Manchmal hilft ein Blick auf die nackten Zahlen: Die wirtschaftlichen Ergebnisse der Apotheken haben sich in den vergangenen Jahren leicht positiv entwickelt. Das spricht für die Selbsteinschätzungs-These. Das Umsatzplus der Einen ist jedoch zum Teil in dem Umsatzwegfall der Anderen begründet. Denn auch diese Zahl ist eine einfache Wahrheit: Die Anzahl der Apotheken sinkt seit Jahren beständig. Auch 2016 erwartet die ABDA einen dreistelligen Rückgang.

Das wäre mal eine interessante Frage: Hätten Sie vor fünf Jahren erwartet, dass Sie keinen Nachfolger finden oder Ihre Apotheke aus wirtschaftlichen Gründen schließen mussten? Nur leider sind diese Apotheker nicht mehr im Panel. Und damit bleibt die Frage offen: Wie viele Apotheker, die ihrem Betrieb heute positive Zukunftschancen attestieren, werden bei der nächsten Befragung noch dabei sein?

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