Infektionskrankheiten

Merkel eröffnet Hochsicherheitslabor

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Berlin -

Das dritte deutsche Hochsicherheitslabor zur Erforschung gefährlicher Erreger wie Ebola- oder Lassa-Viren wurde am Dienstag in Berlin eröffnet. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (beide CDU), Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Professor Dr. Reinhard Burger, durchschnitten zum Start feierlich das Band.

Neben dem Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg und einem Sicherheitsstufe 4-Labor in Marburg ist es das dritte Labor dieser Art in Deutschland. Hochgefährliche Erreger wie Ebola- oder Lassaviren sollen künftig in den komplett abgeschotteten Räumen untersucht werden, schlimmstenfalls auch Substanzen bioterroristischer Angriffe – unter strengen Sicherheitsvorkehrungen.

Deshalb haben die Vollschutzanzüge der Mitarbeiter ihre eigene Sauerstoffversorgung, die unabhängig von der gefilterten und ständig umgewälzten Raumluft ist: Immer dort, wo sie im Labor gerade arbeiten, stöpseln sie sich an einen der blauen Schläuche, der Atemluft in ihre Anzüge pumpt.

So sollte es zumindest sein. „Das ist jetzt der Vorführeffekt“, sagt Laborleiter Dr. Andreas Kurth, als eine Mitarbeiterin beim Vorführen des Schutzanzuges vergeblich von Schlauch zu Schlauch läuft und schließlich den Reißverschluss öffnet, um wieder Luft schnappen zu können. Damit solche Pannen im Laboralltag nicht passieren, wird die komplexe Technik zunächst monatelang auf den Prüfstand gestellt, routinemäßig.

„Der technische Testbetrieb, in dem alles hier überprüft wird, auch die autarke und doppelte Strom- und Luftversorgung, wird wohl mindestens bis Ende 2015 dauern“, schätzt Kurth. Erst danach kann die Zulassung für einen Probebetrieb unter Bedingungen der Sicherheitsstufe 2, das heißt mit weniger gefährlichen Erregern, beantragt werden. Und ist dieser erfolgreich absolviert, geht die Arbeit an den hochgefährlichen Viren los.

Dazu hat das RKI seit Herbst 2010 mit rund 170 Millionen Euro Bundesmitteln einen imposanten, rot verklinkerten Neubau, groß wie ein Fußballfeld, neben den Charité Campus im Wedding bauen lassen. Gleich neben die Sonderisolierstation des Virchow-Klinikums, wo erst jüngst ein Patient mit Ebolaverdacht behandelt wurde. Exakt in der Mitte des roten Neubaus, in dem Büros und drei S3-Labore Platz haben, ragt der hellgraue S4-Laborkubus empor. „Es ist ein Haus im Haus“, sagt RKI-Präsident Burger. Vier Etagen hoch ist das Labor. Drei davon sind für die autarke Versorgung und Technik reserviert, in nur einem befindet sich das eigentliche Labor.

„Es ist spiegelbildlich und redundant aufgebaut“, erklärt Kurth. Das heißt, bis auf den Raum, in dem die hochpathogenen Viren in flüssigem Stickstoff gekühlt und unter Verschluss lagern, sowie den Raum für Versuchstiere, ist alles doppelt vorhanden. „So kann theoretisch an 365 Tagen im Jahr durchgearbeitet werden, auch wenn in einem der beiden Laborteile die jährliche Wartung stattfindet.“

Arbeiten dürfen die zunächst zehn, später bis zu 30 speziell sicherheitsgeschulten Mitarbeiter immer nur höchstens vier Stunden am Stück. Denn die Bedingungen sind gewöhnungsbedürftig: Mehrere Schleusen müssen durchquert, der zehn Kilogramm schwere Schutzanzug überprüft und angezogen werden. „Die eigentliche Arbeit ist ähnlich wie in jedem anderen Labor. Aber mit drei Handschuhen übereinander und wegen des eingeschränkten Blickfelds muss man sie erstmal einüben“, so Kurth. Nach jeder Arbeitseinheit heißt es: Sechs Minuten im Anzug unter die Chemikaliendusche, dann ausziehen und zwei Räume weiter nochmals duschen.

Und was passiert, wenn sich ein Mitarbeiter bei der Arbeit mit hochansteckenden Keimen unter der Abzugshaube einmal schneidet und möglicherweise infiziert? Ein ausgefeilter Notfallplan setzt ein – bei dem der Verletzte nach der Dekontamination in der Chemikaliendusche an der Außenschleuse gleich von Fachärzten in Empfang genommen wird. Damit auch durch reparaturbedürftige Geräte oder Abfälle keine Keime nach Außen gelangen, gibt es mehrere Schleusen, in denen die Materialien hocherhitzt werden, so dass sämtliche Erreger absterben.

„Am kritischsten ist es noch, wenn Virenmaterial zu weiteren Untersuchungen an anderen Orten durch die Probenschleuse aus dem Labor gebracht wird“, sagt Kurth. „Hier könnte theoretisch ein menschlicher Fehler passieren. Deshalb arbeitet man hier nur nach dem 4-Augen-Prinzip.“

Die Diagnose hochpathogener Viren, ihre Erforschung und irgendwann auch ihre Therapie, etwa durch Impfstoffentwicklung – das will Laborleiter Kurth in Berlin vorantreiben. Gelernt hat er sein Handwerk unter anderem am Hochsicherheitslabor des Bernhard-Nocht-Instituts in Hamburg und in Montana (USA). Während der aktuellen Ebola-Epidemie war er im westafrikanischen Guinea im Einsatz und baute dort das mobile Diagnose-Labor der EU mit auf. „Und das waren ganz andere Bedingungen“, erinnert er sich.

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