Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Preisbindung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wird unterschiedlich bewertet. Während ausländische Versender ihre Position gestärkt sehen, betont auch der GKV-Spitzenverband, dass sich die Entscheidung in Karlsruhe auf eine alte Rechtslage beziehe und das Boni-Verbot weiterhin gültig sei.
Der BGH wies eine Klage des Bayerischen Apothekerverbands (BAV) gegen DocMorris beziehungsweise die Tochterfirma Taminis ab. Redcare und DocMorris feierten die Entscheidung. Die Richter bezogen sich auf die alte Regelung nach § 78 Arzneimittelgesetz (AMG), die aber nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2016 unionsrechtswidrig gewesen sei und daher nicht auf ausländische Versender angewendet werden durfte. Auf die neue Regelung nach Sozialgesetzbuch (SGB V) ging der BGH nicht ein.
Beim GKV-Spitzenverband betont man: Das aktuell gesprochene Urteil beziehe sich auf eine alte Rechtslage. „Das Rx Boni-Verbot wurde im § 129 Abs. 3 Satz 3 SGB V geregelt und hat nach wie vor seine Gültigkeit für die GKV“, so ein Sprecher. Das aktuelle BGH-Urteil tangiere die derzeitige Regelung im SGB V „ausdrücklich nicht“.
Die eindeutige Positionierung überrascht, denn bislang haben die Kassen wenig Interesse gezeigt, für die Einhaltung der Preisbindung zu sorgen. Verstöße können seit Inkrafttreten des Apothekenstärkungsgesetzes (VOASG) eigentlich mit empfindlichen Strafen belegt werden: Wer dem Rahmenvertrag beitritt, muss sich an die festgesetzten Preisspannen halten und darf Versicherten keine Zuwendungen gewähren, so steht es im SGB V.
Der Paritätischen Stelle, die Geldstrafen oder gar einen Ausschluss vom Rahmenvertrag aussprechen kann, gehören je drei Mitglieder von Deutschem Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband an. Für Entscheidungen über die Einleitung eines Verfahrens und die Verhängung von Sanktionen genügt zwar die Hälfte der Stimmen, sodass die Apothekerseite theoretisch auch alleine Beschlüsse treffen könnte.
Doch laut dem DAV-Vorsitzenden Dr. Hans-Peter Hubmann könnten die einzelnen Mitglieder dann von der betroffenen Versandapotheke persönlich haftbar gemacht werden, sollte ihre Entscheidung am Ende von einem Gericht doch noch für unzulässig erklärt werden.
Im Rahmenvertrag musste der DAV sogar hinnehmen, dass er im Zweifel alleine für die Entscheidung gerade stehen muss: „Das Haftungsrisiko tragen der GKV-Spitzenverband und der DAV je nach den Stimmanteilen der für die Entscheidung maßgeblichen Mitglieder, die den Antrag für begründet halten und die sich zugleich für die konkrete (gegenüber der Apotheke verhängten) oder eine höhere Strafe ausgesprochen haben“, heißt es dort.
Dass Schadenersatzklagen drohen, klingt natürlich auf den ersten Blick weit hergeholt, da ja „nur“ Geldstrafen verhängt werden können und ein kompletter Ausschluss vom Rahmenvertrag als Sanktion nur im Zusammenhang mit anderen Verstößen, aber eben nicht bei Preisbrechern vorgesehen ist. Allenfalls wenn die verhängte Vertragsstrafe nicht gezahlt wird, „kann vorgesehen werden, dass die Berechtigung zur weiteren Versorgung bis zur vollständigen Begleichung der Vertragsstrafe ausgesetzt wird“.
Auch Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) erklärte unlängst, dass sie Rabatte oder Boni auf Arzneimittel für falsch halte. Sie werde alles dafür tun, gleiche Bedingungen zwischen Versandhandel und stationären Apotheken zu erhalten, versprach sie. Wie eine Neuregelung aussehen könnte, teilt das Ministerium nicht mit. Im Koalitionsvertrag ist zu einem möglichen Verbot von Rx-Boni nichts explizit festgehalten.
In Deutschland hingegen gilt für verschreibungspflichtige eine gesetzlich geregelte Preisbindung. Seit Jahren wird darüber gestritten, ob diese Preisbindung auch für ausländische Versandapotheken gelten muss – oder ob sie gegen das EU-Warenverkehrsrecht verstößt. Mitte Juli hatte der BGH das frühere Urteil bestätigt.