Bundesgerichtshof

Wartezimmer-TV: Nur Apotheker und Ärzte haften

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Berlin -

Ärzte dürfen keine Apotheke empfehlen und Apotheken dürfen auch nicht beim Arzt für sich werben. Ob das Abspracheverbot auch eine Werbung im Wartezimmer-TV einschließt, sollte am Donnerstag der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden. Doch die Karlsruher Richter hielten sich Prozessbeobachtern zufolge nicht mit der Frage der Zuweisung auf. Die Klage der Wettbewerbszentrale wurde abgewiesen, weil der zwischengeschaltete TV-Anbieter, gegen den sich die Klage richtete, nicht für apotheken- und berufsrechtliche Verstöße belangt werden kann.

In dem Fall ging es um das Wartezimmer-TV des Anbieters regionale-werbung.de. Das Unternehmen gestaltet ein Programm mit Praxisleistungen des Arztes und Informationssendungen. Eingebettet ist das „regionale Gesundheitsfenster“, in dem „ausgewählte Anbieter des regionalen Gesundheitsmarktes“ empfohlen werden. Darunter war eine Apotheke aus dem Ort.

Die Wettbewerbszentrale war im Auftrag der Bayerischen Landesapothekerkammer (BLAK) tätig geworden und gegen die Werbung vorgegangen. Durch die Einbettung der Apothekenwerbung entstehe der Eindruck, die Empfehlung erfolge exklusiv durch den Arzt, so der Vorwurf. Absprachen und eine Zuweisung von Patienten sind nach dem Apothekengesetz (ApoG) untersagt.

In erster Instanz hatte das Landgericht Limburg der Klage stattgegeben und auch das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) gab der Wettbewerbszentrale recht. Das Verbot gelte auch dann, wenn die Zuweisung formal durch einen Dritten, aber mit Wissen von Arzt und Apotheker erfolge, so die Begründung. Der BGH hob das Urteil auf, die Klage wurde abgewiesen. Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor.

Der Ausgang des Verfahrens hatte sich in der mündlichen Verhandlung am Donnerstag bereits abgezeichnet. Diskutiert wurde vornehmlich über die Haftungsfrage. Der BGH sah den TV-Anbieter demnach nicht als Mittäter. Die sogenannte Störerhaftung legt das Gericht enger aus als die Vorinstanz.

Die Karlsruher Richter machten in der Verhandlung deutlich, dass nur der Arzt oder der Apotheker für die Werbung belangt werden könnten. Erst wenn gegen einen direkten Teilnehmer ein Urteil erlassen sei, könne man sich an den Anbieter wenden. Damit werde dieser bösgläubig. Das bedeutet, der TV-Anbieter weiß dann, dass der Arzt oder Apotheker gegen das Gesetz verstößt, wenn er das Wartezimmer-TV nutzt. Erst dann haftet aus Sicht des BGH auch das Unternehmen für sein Angebot.

Den Apotheken wurden von dem Anbieter exklusive Sendeplätze versprochen. Pro Branche gebe es nur einen Vertreter, hieß es in der Werbung. Dem Angebot zufolge musste die Apotheke selbst keinen Kontakt zu der werbenden Arztpraxis aufnehmen. Die „Zuführung“ hätte die Werbeagentur übernommen. Damit war da der Tatbestand der Absprache aus Sicht des OLG bereits erfüllt.

Auch wenn die Werbeagentur selbst nicht dem ApoG unterliege, könne sie für die Verstöße verantwortlich gemacht werden, fand das OLG in der Vorinstanz. Eine Einschränkung der Haftung würde den Richtern zufolge zu „unvertretbaren Schutzlücken“ führen. Im konkreten Fall habe die Agentur den Verstoß der Apotheke gegen die geltenden Vorschriften als Mittäterin verwirklicht. Diese Schutzlücke sieht der BGH dagegen nicht.

In Karlsruhe hat man sich bereits mehrfach mit dem Thema Zuweisung befasst: 2011 entschieden die Richter, dass Ärzte in sehr begrenzten Ausnahmefällen auf Nachfrage der Patienten Leistungserbringer empfehlen dürfen oder sogar müssen, etwa zur Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten. Umstände, die unabhängig von den Bedürfnissen des einzelnen Patienten vorliegen, also gute Zusammenarbeit, hohe Kompetenz oder freundliche Mitarbeiter, rechtfertigen demnach keine Ausnahme.

2014 hatte der BGH hingegen die Vermittlung von Rezepten im Rahmen eines Entlassmanagements erlaubt. Weil der Gesetzgeber einen strukturierten Übergang von der stationären in die ambulante Versorgung wünsche, können Kliniken laut Urteil Verordnungen an Apotheken schicken, wenn ein „neutrales“ Unternehmen zwischengeschaltet ist. Der Gesetzgeber will nun nachbessern: Der Bundesrat hat sich bereits für eine Klarstellung im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) ausgesprochen, die Bundesregierung prüft den Vorschlag derzeit.

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