Entwurf bis Ende 2026

Bund und Ländern feilen an Pflegereform

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Berlin -

Bund und Länder peilen eine grundlegende Finanzreform für die Pflegeversicherung bis Ende kommenden Jahres an. Das System müsse neu aufgestellt werden, sagte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) nach der abschließenden Sitzung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe in Berlin. „Untätigkeit ist keine Option mehr.“ In einem Ergebnispapier werden Optionen für Maßnahmen bei Einnahmen und Ausgaben mit den Finanzfolgen aufgeführt.

Die Finanznöte in der Pflege sind schon chronisch geworden, auch nach einer Beitragsanhebung Anfang 2025. Zur Stabilisierung schießt der Bund in diesem Jahr ein Darlehen von 500 Millionen Euro zu. Im nächsten Jahr sollen weitere 3,2 Milliarden Euro als Darlehen kommen. Der Beitrag bleibt Anfang 2026 stabil.

„Knackpunkt der Reform bleibt eine nachhaltige Finanzierung“, so Warken. Man wolle dabei an dem System der Teilleistung festhalten. „Wir werden niemandem Leistungen kürzen, die nachweislich Wirkung haben“, so Warken. Allerdings habe man keinen Spielraum mehr für Ausgaben, die nicht nachweislich zu den Aufgaben der Pflegeversicherung gehören. An den fünf Pflegegraden werde man festhalten, erklärte Warken.

Mehr Vorsorge im Fokus

Damit soll es bei Zuzahlungen für Versicherte bleiben. Als Stellschraube genannt werden unter anderem Verbesserungen bei der Vorsorge, damit Pflegebedürftigkeit vermieden werden oder später eintreten kann. Warken nannte die Vorschläge eine gute Grundlage für weitere Beratungen. Zu den Finanzierungsfragen ist im Februar eine nächste Bund-Länder-Runde geplant. Das vorgesehene Reformgesetz soll „möglichst Ende 2026“ in Kraft treten.

Das heutige Ergebnis sei eine gute Grundlage, um mit dem Praxistest im neuen Jahr zu beginnen. Es sei eine gute Grundlage und ein guter erster Schritt. Man wolle zeitnah einen Gesetzentwurf erarbeiten, kündigte die Ministerin an.

Mehr Einnahmen?

Die Hamburger Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) erklärte, dass die Herausforderungen sehr hoch seien. Politisch gehe es um nicht mehr und nicht weniger als um eines der sensibelsten Sozialversicherungssysteme, das die Bürgerinnen in Anspruch nehmen, wenn sie in sehr verletzlichen Situationen sind. „Die Pflegeversicherung sei komplex“, so die Senatorin. Außerdem brachte sie den Finanzausgleich zwischen privater und staatlicher Pflegeversicherung ins Spiel.

NRW-Kollege Karl-Josef Laumann (CDU) ergänzte, wenn man die Pflegeversicherung in Deutschland auf stabile Füße stellen wolle, dann müsse man die häusliche Pflege weiter stärken und die Pflegesicherheit zu Hause ausbauen. Ohne die häusliche Pflege wäre das System nicht steuerbar oder finanzierbar.

Der GKV-Spitzenverband, der auch die Pflegekassen vertritt, äußerte sich enttäuscht. Aus angekündigten Eckpunkten seien unverbindliche Optionen geworden, sagte Verbandschef Oliver Blatt. „Konkrete und abgestimmte Lösungsvorschläge sucht man vergeblich.“

Dr. Carola Reimann vom AOK-Bundesverband sprach von „politischer Ratlosigkeit auf höchster Ebene“. „Denn die heute vorgelegte ‚Roadmap‘ bleibt in den entscheidenden Fragen vage und stiftet mehr Verwirrung als Orientierung. Statt einen klaren Fahrplan aufzuzeigen, drücken sich die versammelten Verantwortungsträger auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene vor eindeutigen Aussagen und liefern keine Entscheidungen für eine nachhaltige Struktur- und Finanzierungsreform in der Pflegeversicherung.“

Thomas Knieling, Bundesgeschäftsführer des Verbands Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB), sagte, es würden durchaus wichtige Einzelthemen adressiert und Maßnahmen vorgeschlagen, die in die richtige Richtung wiesen. „Dazu gehören die Überwindung der Sektorengrenzen, die Harmonisierung von Ordnungs- und Leistungsrecht bei gleichzeitiger Prüfung von Deregulierungspotenzial, schnellere Verfahren in der Hilfe zur Pflege, die Finanzierung der Ausbildungskosten in der Pflege durch Steuermittel sowie praktikablere Verfahren bei der Umsetzung der Tarifpflicht.“

Offen bleibe allerdings die Antwort auf die Frage, wie der Zielkonflikt zwischen Ausgabendämpfung im System und der Vermeidung der finanziellen Überforderung von Pflegebedürftigen gelöst werden solle. „Denn auf der Ausgabenseite sollen es lediglich die Neujustierung der Schwellenwerte zur Einstufung in die Pflegegrade und mehr Prävention richten, während der finanzielle Druck für Pflegebedürftige dennoch schnell steigen wird. Unabhängig davon, ob eine Abfederung der Kosten durch einen Sockel-Spitze-Tausch oder eine Dynamisierung der Leistungsbeträge erfolgen soll – es wird teuer für die Pflegekassen und letztlich auch für die gesamte Gesellschaft. Wie eine generationengerechte und nachhaltige Finanzierung aussehen kann, bleibt offen. Politik ist jetzt in der Verantwortung, aus den Empfehlungen der Arbeitsgruppe eine konsistente Strukturreform zu entwickeln, die nicht auf halben Weg stehen bleibt. Es braucht den Mut, für mehr Flexibilität im System und mehr unternehmerische Freiheit, wenn die großen Herausforderungen für die professionelle pflegerische Versorgung gemeistert werden sollen.“

Mehr private Absicherung

Laut PKV-Verband setzt die AG die falschen Akzente. „Ihre Vorstellungen zur Begrenzung der Eigenanteile im stationären Bereich sind nicht bezahlbar – und auch überhaupt nicht nötig: Denn die große Mehrheit der Menschen ist in der Lage, ihre Pflegekosten im Alter selbst zu tragen. Dafür dürfen nicht die Beitrags- und Steuerzahler herangezogen werden. Für eine dauerhaft sichere und tragfähige Finanzierung der Sozialen Pflegeversicherung fehlt ein breiter Einstieg in die private Zusatzvorsorge“, so Direktor Florian Reuther.

Das sieht der Verbraucherzentrale Bundesverband anders: Den Vorschlag, stärker auf private Pflegezusatzversicherungen zu setzen, sehe man kritisch. „Die bisherigen Produkte am Markt sind alles andere als verbraucherfreundlich. Sie können das finanzielle Risiko der Pflegebedürftigkeit nicht ausreichend absichern, schon gar nicht zu fairen und sozial gerechten Bedingungen. Die Pflegereform darf kein Geschenk an die Versicherungsbranche sein“, so Thomas Moormann, Leiter Team Gesundheit und Pflege.

Man begrüße aber den Vorschlag, künftig flexible Leistungsbudgets festzulegen. „So müssen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen nicht jede Leistung einzeln beantragen. Das kann ihren Alltag deutlich erleichtern. Doch die Eckpunkte bleiben unverbindlich. Ohne klare Festlegungen bleibt das Risiko, dass dringend notwendige Verbesserungen nicht kommen.“

Laut Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands BDA, gibt es keine Antworten, wie der Beitragssatz stabil bleiben und die Pflegeversicherung generationengerecht finanziert werden kann. „Die dünnen Ergebnisse zeigen, dass es nichts bringt, unbequemen politischen Entscheidungen durch die Einberufung von Kommissionen auszuweichen.“

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