Vergütung nach Behandlungserfolg

BKK-Papier: Nurses sollen Versorgung steuern

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Berlin -

In kaum einem anderen Land sind die Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben so hoch, die formalen Zugangshürden zur medizinischen Versorgung so niedrig und das Netz an Ärztinnen und Ärzten so dicht wie in Deutschland. So lautet eine aktuelle Bestandsaufnahme des BKK-Dachverbands. Dennoch liege man bei den wichtigen Kennzahlen, die für eine leistungsfähige Gesundheitsversorgung sprechen, international zurück. Gefordert wird daher eine umfassende Neuausrichtung der ambulanten Versorgung. Im Positionspapier werden auch die Apotheken als Teil von regionalen Versorgungsnetzwerken mit erwähnt.

Entscheidend für den laut BKK-Dachverband dringend notwendigen „Versorgungs-Reboot“ sei eine strukturierte und digital gestützte Ersteinschätzung bei jedem neuen Behandlungsfall. Indem man so den Zugang nach Dringlichkeit ermögliche und in die jeweils passende Versorgungsebene steuere, würden Behandlungskapazitäten frei. „Ein solches System wäre ein Gamechanger für die Versicherten, denn sie könnten damit nicht nur deutlich schneller, sondern auch deutlich besser versorgt werden. Viele Länder machen uns vor, wie Menschen mit Unterstützung eines Algorithmus zielgerichtet dorthin geleitet werden, wo ihnen fallabschließend geholfen wird. Außerdem – und das ist wichtig – erhalten sie auch Unterstützung, wenn sie keine ärztliche Behandlung benötigen“, sagt Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK Dachverbandes.

Eine moderne Primärversorgung erfolge entlang von Behandlungspfaden im Team. Dabei sollen Gesundheitsberufe wie Physician Assistants, Advanced Practice Nurses und Community Health Nurses eng mit Psychologen, Sozialarbeitern und Ärzten zusammenarbeiten. „Alle Teammitglieder übernehmen eigenverantwortlich Tätigkeiten und arbeiten vernetzt mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst, Pflegediensten und -stützpunkten, weiteren nichtärztlichen Gesundheitsberufen sowie Apotheken in regionalen Strukturen zusammen“, heißt es in dem Positionspapier. „Dadurch wird der Fokus in der Primärversorgung stärker auf präventive und soziale Belange gerichtet, die oftmals die Ursache für medizinische Symptome sind. Ärzt:innen können sich als Bestandteil des Teams auf das Kernstück ihrer Profession, Krankheiten zu finden und zu behandeln sowie komplexe Behandlungsverläufe zu begleiten, fokussieren.“

Vergütung radikal neu denken

Gleichzeitig müsse die Vergütung radikal neu gedacht werden, um die richtigen Anreize zu setzen. Effizienz, Behandlungsqualität und Behandlungserfolg müssten sich künftig auszahlen: „Ein Baukastenmodell aus Kopfpauschalen für die Behandlung chronisch kranker Menschen und komplexer Behandlungsbedarfe sowie Fallpauschalen für spezialisierte Behandlungspfade ist deutlich zielführender als eine rein kontaktabhängige Honorierung. Die Gesamtausgaben sind dabei durch Budgets begrenzt, die sich am Versorgungsbedarf und der Qualität orientieren“, so Klemm weiter.

Das überarbeitete Vergütungssystem müse nach Versorgungsebene differenzieren, um die spezifischen Anforderungen der primärärztlichen und der spezialisierten fachärztlichen Versorgung besser abzubilden. Kopfpauschalen stärkten die Kontinuität der Versorgung und setzten Anreize zur langfristigen, ganzheitlichen und interprofessionellen Versorgung. „Fallpauschalen sollen für spezifische Behandlungspfade eingesetzt werden, da sie standardisierte Abläufe abbilden, wodurch Kosten transparenter und kalkulierbarer werden und die Orientierung an Leitlinien gefördert wird.“

Qualitätsindikatoren für das Vergütungssystem müssten mithilfe von validen Messinstrumenten erhoben werden. „Das Vergütungssystem entspricht einem Baukastenprinzip, wodurch verschiedene Bausteine für das ärztliche und nichtärztliche Personal, die Zusammenarbeit im Primärversorgungsteam, die Qualität können je nach Versorgungskontext kombiniert werden können“, heißt es im Papier. „In diesem Zusammenhang ist auch ein gesetzliches Verbot der aktuellen Praxis vorzunehmen, Angebote aus dem GKV-Leistungskatalog mit zeitlichen Terminvorteilen oder ausschließlich als Selbstzahlerleistungen anzubieten.“

ePA-Nutzung

Auch die interprofessionelle Kommunikation müsse dringend ausgebaut werden, ebenso wie eine flächendeckende Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA): „Wir erwarten Verhaltensänderungen und eine gesunde Lebensführung von den Menschen, bieten ihnen dafür aber kaum Unterstützung. Noch schlimmer ist, dass wichtiges Wissen über Risikostadien in den Sektorensilos versandet und verloren geht. Zukünftig müssen Risikodaten, insbesondere auch aus der Arbeitsmedizin, viel stärker genutzt werden“, so Klemm. Ähnlich wie bei Chronikerprogrammen für diagnostizierte Erkrankungen brauche es außerdem strukturierte Programme, die Leitlinien in den Versorgungsalltag übertragen und Gesundheitsfachberufe koordinierten, um Risikopatienten stringente Unterstützung zu bieten.

Entscheidend sei auch, dass unnötige Pflichtkontakte reduziert werden. „Unser System erzwingt Arztkontakte, die medizinisch nicht notwendig sind. Gesundschreibungen für das Kita-Kind oder Quartalspflichtkontakte sind im Grunde nichts als Ressourcenverschwendung. Diese nicht mehr zeitgemäßen Normen gehören auf den Prüfstand. Bereits eine moderate Reduzierung dieser Kontakte würde wichtige Kapazitäten freisetzen. Diese könnten für die Behandlung komplexer Fälle, für Prävention und für eine zeitgerechte Terminvergabe genutzt werden“, so Klemm.

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