Viele Menschen in Deutschland haben zu niedrige Vitamin-D-Werte im Blut. Die Einnahme von Supplementen kann sich in manchen Fällen positiv auswirken. Von einem generellen gesundheitlichen Vorteil durch die Einnahme hochdosierter Präparate kann jedoch nicht gesprochen werden, da dieser nicht wissenschaftlich belegt ist. Im Gegenteil: Große Mengen führen mittel- und langfristig sogar zu Intoxikationen.
Das Robert Koch-Institut (RKI) belegt, dass nur 44 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland die empfohlene 25-Hydroxyvitamin-D-Serumkonzentration im Blut erreichen. Etwa 41 Prozent der Untersuchten liegen im suboptimalen Bereich und 15 Prozent weisen einen deutlichen Mangel auf. Der Arzneiverordnungsreport 2023 zeigt parallel dazu, dass die Zahl ärztlicher Verordnungen von Vitamin D in den vergangenen Jahren stark zunahm.
Studien, die Analysen zur Effektivität einer Primärprävention durchführten, zeigen, dass eine Vitamin-D-Einnahme bei gesunden Menschen kaum einen Nutzen zeigt. Die Vital-Studie „Vitamin D Supplements and Prevention of Cancer and Cardiovascular Disease“, in der täglich 2000 I.E. Vitamin D verabreicht wurden, konnte keinen Effekt auf das Risiko für Krebs oder kardiovaskuläre Ereignisse belegen. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin NEJM veröffentlicht.
Auch bei Atemwegsinfektionen bleibt die Evidenz schwach. Dies belegt die Metaanalyse „Vitamin D supplementation to prevent acute respiratory infections: systematic review and meta-analysis of stratified aggregate data“, die im Fachjournal The Lancet Diabetes and Endocrinology veröffentlicht wurde. Es konnte laut den Forschenden kein durchgängig schützender Effekt gezeigt werden.
Weil jedoch vor allem soziale Medien häufig Vorteile der Vitamin-D-Einnahme suggerieren, nehmen Patient:innen nicht selten auch hochdosierte Präparate in Eigenregie ein. Dass dies gefährlich werden kann, stellt auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) klar. Es wird ausdrücklich vor einer langfristigen Einnahme hoher Dosen gewarnt und angeraten, nur Präparate mit maximal 800 I.E. pro Tag einzunehmen, wenn unbedingt gewollt. Höhere Dosierungen sollten demnach nur unter ärztlicher Kontrolle erfolgen.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat für die Gesamtzufuhr von Vitamin D festgelegt: Für Erwachsene sowie Kinder ab 11 Jahren gelten bei 100 μg pro Tag, für Kinder bis 10 Jahre 50 μg. Für die Festlegung werde laut der Behörde die gesamte Vitamin-D-Aufnahme berücksichtigt – aus Nahrungsergänzungsmitteln und aus angereicherten Lebensmitteln.
Eine Überdosierung von Vitamin D, also die langfristige Einnahme extrem hoher Dosen – typischerweise über 50.000 Internationale Einheiten (I.E.) pro Tag über mehrere Monate oder Einmalgaben von mehreren Hunderttausend bis zu Millionen I.E. – kann zu einer ausgeprägten Hyperkalzämie führen. Diese hohe Kalziumkonzentration im Blut verursacht eine Hyperkalzurie, also eine verstärkte Ausscheidung von Kalzium über den Urin.
Prärenale und intrarenale Nierenschäden können die Folge sein und bis zum akuten Nierenversagen führen. Typische Symptome sind Verwirrtheit, Apathie, wiederkehrendes Erbrechen, Bauchschmerzen und Dehydratation durch vermehrtes Wasserlassen. Die daraus resultierenden Kalziumablagerungen können zu Gefäßverkalkungen und Organschäden führen.
Für die Allgemeinbevölkerung gelten deutlich niedrigere Grenzen: Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gibt ein tolerables oberes Aufnahmelimit (UL) von 100 µg pro Tag, das Institute of Medicine (IOM) und die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) orientieren sich an 4000 I.E. pro Tag, während das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) 2000 I.E. pro Tag als sichere Langzeitdosis angibt. Dosen unterhalb dieser Werte gelten langfristig als sicher, und die beschriebenen toxischen Symptome treten in der Regel nicht auf.
Patient:innen sollten sich ärztlich, auch hinsichtlich der Risiken bei hohen Dosen, beraten lassen. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) und weitere Fachgesellschaften arbeiten derzeit an der S3-Leitlinie „Beratung zur Vitamin-D-Substitution“. Die Veröffentlichung wird bis Ende Oktober erwartet. Das Ziel: Eine evidenzbasierte Entscheidungsgrundlage schaffen für eine optimale Patientenversorgung, in der Über- oder Unterdosierungen vermieden werden können.
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