Fast nur noch für Tiere

Pentobarbital – ein langwirksames Barbiturat

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Berlin -

Österreich erlaubt ab dem kommenden Jahr die Sterbehilfe. Konkret bedeutet das, dass Apotheken – insofern sie sich an der Abgabe beteiligen wollen – den Wirkstoff Pentobarbital abgeben. Einen Kontrahierungszwang wird es nicht geben. Um was für einen Stoff handelt es sich da eigentlich, der ab Januar 2022 in der Apotheke direkt an Sterbewillige abgegeben werden darf? 

Pentobarbital gehört zur Wirkstoffgruppe der Barbiturate. Seit über 100 Jahren ist die Substanz bekannt. Ursprünglich hielt Bayer das Patent. Unter den Handelsnamen Medinox und Nembutal wurde der Stoff als Schlafmittel vertrieben. Heute gilt die Substanz als obsolet, sie macht schnell psychisch und körperlich abhängig. Das Nebenwirkungsprofil ist schlecht. Auch aufgrund des hohen Missbrauchpotenzials sowie der Entwicklung von neuen Alternativen wurde der Einsatz eingestellt.

Die Wirkung von Pentobarbital ist dosisabhängig. Das Wirkspektrum reicht von sedierend, über hypnotisch bis hin zu narkotisch. Überdosiert kommt es zum Atem- und Herzsstillstand.

Wirkmechanismus nicht bis ins Detail geklärt

Pentobarbital behindert wie alle Barbiturate die Freisetzung von Acetylcholin, Noradrenalin und Glutamat. Der Wirkstoff geht Interaktionen mit GABA-Rezeptoren ein. In niedriger Dosis verlängert der Arzneistoff lediglich die Bindung des natürlichen Liganden, der γ-Aminobuttersäure (GABA). Erst bei höheren Dosierungen kommt es zu einer erhöhten neuronalen Chloridleitfähigkeit. Hierdurch wird die Membran hyperpolarisiert. In der Folge kommt es zu einer Reduktion der neuronalen Erregbarkeit. Die sedierende bis hypnotische Wirkung von Pentobarbital resultiert aus dieser gesteigerten Chloridleitfähigkeit. Die anästhetische Wirkung resultiert auf den GABA-unabhängigen Mechanismen.

Das Mittel führt bei Überdosierung zu einer Atemdepression. Hierunter versteht man die Abflachung der Atmung. Neben Barbituraten können auch Opiode und Sedativa zu einer Atemdepression führen. Kommt es in Folge einer Medikamenteneinnahme zur Herabsetzung der Atmung, so spricht man von einer zentralen Atemdepression, die durch Beeinträchtigung des Atemzentrums im Gehirn ausgelöst wird.

Der Wirkstoff kann auf unterschiedliche Weise verabreicht werden. Bei einer oralen Gabe erfolgt der Wirkeintritt verzögert. Ansonsten kann Pentobarbital sowohl intravenös und intramuskulär als auch subkutan verabreicht werden. Bei einer intravenösen Gabe lassen sich aufgrund der hohen Lipophilie des Stoffes bereits nach wenigen Minuten Wirkstoffspiegel im ZNS messen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören die kardiovaskuläre Depression, Apnoe und Reaktionen an der Einstichstelle. Pentobarbital geht mit zahlreichen Arzneistoffen Wechselwirkungen ein, darunter ASS, Furosemid, Midazolam, valproinsäure, Theophyllin und Chinidin.

Lage in Deutschland

2015 wurde das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe eingeführt – Anfang 2020 wurde das Verbot für nichtig erklärt. Das Bundesverfassungsgerichts urteilte, dass es gebe ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben geben muss. Das Bundesgesundheitsministerium bat die Verbände im Sommer 2020 um Stellungnahme. Seitens der Bundesapothekerkammer (BAK) hieß es, dass die Substanz Natrium-Pentobarbital für ungeeignet erachtet werde, wenn es um das Thema Sterbehilfe geht. „Die BAK lehnt die in der Diskussion befindliche Substanz Natrium-Pentobarbital als Mittel zur staatlich regulierten Selbsttötung ab. Denn seine tödliche Wirkung tritt nicht immer so wie beabsichtigt ein.“

In Deutschland ist Pentobarbital als Pulver in einer 25 Gramm-Größe von Fagron erhältlich. Zur Abgabe an den Kunden ist die Ausgangssubstanz nicht geeignet. Weiterhin sind in der Taxe zwei veterinärmedizinische Präparate gelistet. Narcoren (Boehringer Vetmedica) wird dabei sowohl als Sedativum und Narkotikum vor Eingriffen verwendet, als auch als Mittel zur Tötung von Tieren. Das Präparat Release (Wirtschaftsgenossenschaft deutscher Tierärzte) wird zum Einschläfern von Tieren verwendet. Eine Verwendung als Narkotikum darf nicht erfolgen. Weitere Präparate sind für Tierärzt:innen durch einen Direktbezug erhältlich.

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