Einfluss auf die Kaliumkanäle

Frühkindliche Epilepsie: Kann ein MS-Medikament helfen?

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Berlin -

Frühkindliche Epilepsie ist für Eltern und Kind besonders belastend. Bei einer genetisch bedingten Form der Erkrankung könnte ein Medikament aus der Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) helfen.

Epilepsie kann in jedem Alter eine Herausforderung darstellen. Bei Kindern ist die Symptomatik jedoch meist noch schwerer zu ertragen. Die frühkindliche Epilepsie ist durch Krampfanfälle gekennzeichnet, die bei den Kindern zu Entwicklungsstörungen führen können: Sie lernen oft erst spät laufen und haben Schwierigkeiten bei der Bewegung. Außerdem kann es zu Sprachproblemen und Konzentrationsstörungen kommen. Später haben die Kinder oft Probleme beim Rechnen und Buchstabieren. Bei der genetisch bedingten Form treten die Krampfanfälle bereits im ersten Lebensjahr auf. „Bislang ließ sich diese Form der Epilepsie nur schlecht mit den üblichen Arzneimitteln behandeln“, erklären die Forscher:innen vom Hertie-Institut für klinische Hirnforschung und der Universität Tübingen.

Kaliumkanäle im Fokus

Liegt der Erkrankung eine spezielle Mutation zugrunde, könnte der Wirkstoff 4-Aminopyridin zum Einsatz kommen. Dieser wird eigentlich bei der Multiplen Sklerose eingesetzt, um Gangstörungen zu therapieren. Die Substanz hemmt spezifisch die Überaktivität der Kaliumkanäle, wodurch es zu einer Besserung der Symptome kommen kann.

Auch bei der frühkindlichen Epilepsie spielen diese Kanäle eine Rolle: Mutationen im KCNA2-Gen führen zu geschädigten Kaliumkanälen im Gehirn. „Die Mutationen führen in manchen Unterformen der Erkrankung zu einer gesteigerten Aktivität des Kanals. In diesen Fällen sprechen wir von einer gain of function-Mutation.“ Mit 4-Aminopyridin stehe den betroffenen Kindern und Erwachsenen zum ersten Mal eine medikamentöse Behandlung zur Verfügung, erklärt das Team.

Zusammen mit acht weiteren Zentren weltweit wurde die Behandlung erprobt. Bislang wurden elf Patient:innen mit dem Wirkstoff therapiert. Bei neun von ihnen verbesserten sich die Symptome: „Die Anzahl der täglichen epileptischen Anfälle reduzierte sich oder verschwand komplett. Die Patienten waren im Alltag allgemein deutlich wacher und geistig fitter. Auch ihre Sprache verbesserte sich nach Beginn der Medikamentenbehandlung.“

Leider wirke 4-Aminopyridin nicht bei allen Unterformen der Erkrankung: Denn in manchen Fällen kommt es durch die Genmutation nicht zu einer gesteigerten Aktivität, sondern zu einer Einschränkung der Kaliumkanäle. Um schnell entscheiden zu können, ob die Substanz bei einem Patienten/einer Patientin mit neu diagnostiziertem KCNA2-Gendefekt helfen kann, hat das Team eine Datenbank erstellt: Sie beinhaltet die verschiedenen Mutationen aus der KCNA-Genfamilie und die damit verbundenen Auswirkungen auf den Kaliumkanal. Damit kann nach der Diagnose schnell gehandelt und gegebenenfalls therapiert werden.

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