Rote-Hand-Brief

Agranulozytose: Neue Schwellenwerte für Clozapin

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Berlin -

Wegen des bekannten Risikos einer Agranulozytose haben Hersteller zusammen mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Blutbildkontrollen für clozapinhaltige Arzneimittel angepasst. Künftig wird nur noch die absolute Neutrophilenzahl überwacht, mit strengeren Vorgaben in den ersten 18 Wochen und deutlich selteneren Kontrollen nach dem ersten Jahr.

Anlass für die Änderungen war eine EU-weite Neubewertung des Risikos von Clozapin-induzierter Neutropenie. Mehrere große Studien konnten zeigen, dass fast alle schweren Fälle in den ersten beiden Behandlungsjahren auftreten, mit einem klaren Gipfel in den Wochen 1 bis 18.

Eine Metaanalyse von Myles et al. (Acta Psychiatrica Scandinavica 2018) mit über 450.000 Patienten belegte, dass 89 Prozent der schweren Neutropenien innerhalb von 24 Monaten auftraten. Eine aktuelle Kohortenstudie von Northwood et al. (Lancet Psychiatry 2024) mit 26.630 Patienten aus Australien und Neuseeland bestätigte diese Ergebnisse und wies nach, dass das Risiko nach zwei Jahren extrem gering wird. Auch Registerdaten aus Großbritannien, Irland und Chile stützen diesen Befund.

Neue Schwellenwerte

Vor diesem Hintergrund haben EMA und BfArM zusammen mit den Herstellern die Überwachungspraxis an die aktuelle Evidenz angepasst. Clozapin darf nur begonnen werden, wenn mindestens 1500 neutrophile Granulozyten pro mm³ vorliegen, bei Patienten mit benigner ethnischer Neutropenie mindestens 1000 pro mm³. Die Produktinformationen für alle clozapinhaltigen Arzneimittel werden entsprechend aktualisiert.

Während der ersten 18 Wochen sind wöchentliche Blutbildkontrollen vorgeschrieben, danach monatliche bis zum Ende des ersten Jahres. Bleibt die absolute Neutrophilenzahl stabil, reichen anschließend Kontrollen alle zwölf Wochen, ab dem dritten Jahr genügt eine jährliche Untersuchung.

Zum Wirkstoff

Clozapin ist ein atypisches Antipsychotikum und gilt als Goldstandard bei therapieresistenter Schizophrenie. Schwerwiegendste Nebenwirkung ist die Agranulozytose, ein massiver Abfall der neutrophilen Granulozyten mit hoher Infektionsgefahr. Sie tritt meist in den ersten Behandlungsmonaten auf und betrifft weniger als 1 Prozent der Patienten. Symptome sind Fieber, Halsschmerzen und Schleimhautentzündungen. Die Behandlung erfordert das sofortige Absetzen der auslösenden Medikamente und Schutz vor Infektionen.

Weitere Risiken sind Myokarditis, Krampfanfälle und metabolische Störungen wie Gewichtszunahme oder Diabetes. Wegen dieser Gefahren ist eine engmaschige Blutbild- und Sicherheitsüberwachung vorgeschrieben.

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