Die Geschichte der Glück-Auf-Apotheke in der kleinen Bergstadt Bad Grund im Harz ist lang und reicht bis ins Jahr 1661 zurück. Damals erhielt der Apotheker Johann Reichen aus Hamel ein herzogliches Privileg für ihren Betrieb. Die Apotheke befand sich am Marktplatz, gegenüber ihrem heutigen Standort, an dem bis 1956 eine Brauerei stand. Heute wird zwar kein Bier mehr gebraut, doch der Inhaber Dr. Jens Oliver Pokriefke stellt noch immer einen traditionellen Kräuterlikör her.
Pokriefke übernahm die Apotheke 2012. Nur ein halbes Jahr später folgte ein weiterer Standort in einem naheliegenden Ort, der von seiner Ehefrau geleitet wird. Kurz vor Beginn der Pandemie übernahm er einen dritten Betrieb. „Die drei Apotheken reichen mir, es müssen nicht mehr werden“, stellt der Inhaber klar. Dafür sei insbesondere der Fachkräftemangel in der ländlichen Region ausschlaggebend. PTA-Schulen schließen, der Nachwuchs zieht Industriearbeitsplätze vor. „Es funktioniert bei uns noch ganz gut, aber nur, weil meine Kollegen in der Region und ich uns gegenseitig weiterverweisen. Alles hat seine Grenzen.“
Darüber hinaus spiele auch die wirtschaftliche Situation eine Rolle: „Die Leute sind gewohnt, dass alles geliefert wird – am Botendienst können wir also auch nicht sparen.“ Die Honorar-Forderung von 9,50 Euro wäre zwar ein positives Signal, sei aber längst nicht ausreichend, erklärt Pokriefke. Den Vorschlag, dass die Apothekerschaft ihr Honorar künftig selbst mit dem GKV-Spitzenverband aushandeln soll, sieht er hingegen skeptisch. „Besser wäre eine klare staatliche Regelung.“ Sonst werde es wahrscheinlich am Ende immer vor dem Schiedsgericht landen.
Auch bei den Rx-Boni sieht er Handlungsbedarf. Einen klaren politischen Willen, die Branche dauerhaft zu stützen, erkennt der Apotheker derzeit jedoch kaum. Ohne diesen werde die Schließungswelle ungebremst weitergehen. „Irgendwann kommt der Kollaps“, schätzt er.
Trotzdem ist die Stimmung nicht nur düster: „Wir sind eigentlich noch recht guter Dinge. Auf dem Land ist der persönliche Kontakt ein anderer. Man lebt von Stammkundschaft und von der engen Zusammenarbeit mit den Arztpraxen. Man kennt sich persönlich.“
Das Gebäude selbst erzählt seine ganz eigene Geschichte. Nach dem Abriss der damaligen Brauerei ließ die Familie Knäpper 1956 die heutige Apotheke bauen. Das alte Brauhaus verfiel, nachdem es rund 300 Jahre lang der Witterung im Harz standgehalten hatte. An seiner Stelle wurde nun die Glück-auf-Apotheke errichtet. Das Gebäude steht am Hang, dadurch ist die Temperatur stets kühl, selbst heute hat der Apotheker lange keine Klimaanlage gebraucht.
Zuvor befand sich die Apotheke schräg gegenüber am Marktplatz. Am alten Standort wurden früher nicht nur Medikamente, sondern auch Weine und Liköre verkauft. 1764 übernahm Apotheker Simon Jahn die Offizin – und erhielt im Harzer Bergdorf Schankrecht. Erst in der Offizin, als das verboten wurde, bis ins 20. Jahrhundert hinein in einem Nebenraum. Dort gab es Moselweine, Harzer Kräuterbitter und andere Spezialitäten – „fast wie in einem Feinkostladen“, scherzt der Apotheker heute.
Auch heute werden in der Apotheke noch Salbenrezepturen wie auch Kapseln hergestellt. „Als besondere Rezepturarbeit beliefern wir spezielle Heime zur Betreuung suchtkranker Bewohner mit Substitutionsmitteln wie Polamidon in abgeteilten Einzeldosen“, erklärt der Apotheker.
Auch mit der Kur- und Heiltradition der Region ist die Apotheke eng verbunden. Schon um 1855 war der damalige Apotheker an der Kuranwendung beteiligt, später an den Wolkenkuren und Moorkuren von Bad Grund. Eine Holztafel an der Hausfront der alten Apotheke erinnert noch daran: „In diesem Haus begründeten 1855 Dr. Brockmann, Apotheker Helmkampf, u. Gastwirt Römer das Heilbad Grund“.
Ende des 19. Jahrhunderts übernahm Apotheker Söchting die Apotheke und die Badeanstalt. Traditionell stellten Apotheker Söchting den noch heute bekannten Magen-Kräuter-Likör „König Hübich“ her, dessen Name auf die Legende des gleichnamigen Zwergenkönigs zurückgeht. Der Likör warb mit dem Reklamevers: „König Hübich raunte leis: Ich ein feines Tränklein weiß, das auch meinen Namen trägt und dir deinen Magen pflegt.“ Neben dem Likör wurden unter seiner Führung auch Zigarren in der Apotheke verkauft: die „patentierte Fichtennadel-Zigarren.“ Diese hätten sich damals nicht nur bei Patienten, sondern auch bei Gesunden gut verkauft, selbst zu dem damals hohen Preis von 8 Pfennig pro Stück.
Ein Kräuterlikörrezept, über Generationen weitergegeben, wird heute noch gepflegt, zuletzt zur 500-Jahr-Feier der Bergfreiheit. Heidelbeeren, Ingwerwurzel, Bitterstoffe und Orangenschale sind darin enthalten. „Das ist eine Liebhaberei. Aber mit den heutigen Vorschriften ist es nicht immer leicht – Etiketten, Füllmengen, Abweichungen von wenigen Prozent. Trotzdem: Es gehört einfach zu unserer Geschichte.“
Nicht nur die Hauptapotheke hat eine lange und teils sonderbare Geschichte, sondern auch die Filiale in Gittelde. In der heutigen Sankt Barbara-Apotheke war 1852 der Apotheker Adolf-Wilhelm Leube Inhaber. Er hatte zuvor in Thüringen Medizin, Chemie und Botanik studiert. Er begann ein Interesse an Flugmaschinen zu entwickeln und steckte viel Geld und Energie hinein. Seine Idee, so glaubte er, werde zukünftig den Ablauf eines Krieges entscheiden können.
1871 machte er das damalige Kriegsministerium und viele andere Ämter schriftlich auf seine Ideen aufmerksam. Mit wenig Erfolg; Das herzogliche Obere Sanitäts-Collegium in Braunschweig wurde aufgefordert, den „pillendrehenden Luftstrategen“ auf seinen Geisteszustand untersuchen zu lassen.