Seit Oktober werden einer Apotheke am Münchner Ostbahnhof immer wieder die Schaufenster eingeschlagen. Derzeit sind vier große Scheiben beschädigt. „Die Lage ist existenzgefährdend“, beklagt der Inhaber. Denn: „Die Versicherung kommt nicht mehr für diese Glasschäden auf, obwohl der mutmaßliche Täter bereits polizeibekannt ist und sich sogar selbst gestellt hat.“
Die Ostbahnhof-Apotheke in München war bereits dreimal von Vandalismus betroffen, als der Filialleiter Fabian Ortner Mitte Dezember einen vierten Fall feststellen musste. „Ich kam gerade von einem Ausflug zurück und entdeckte ein Loch in der Schaufensterscheibe der Apotheke“, berichtet er. „Aktuell sind vier Scheiben durch eine Notverglasung gesichert. Sonderlich schön sieht das nicht aus.“
Die Situation hat laut Inhaber Ludwig Gierstorfer mittlerweile „eine existenzgefährdende Dimension“ erreicht. Denn: „Würden die vier beschädigten Scheiben ausgetauscht, müsste ich rund 20.000 Euro weitgehend aus der eigenen Tasche bezahlen“, erklärt er. „Die Versicherung hatte zwar den ersten Schaden noch beglichen und für den zweiten Fall auch noch eine Freigabe erteilt, doch weitere Beschädigungen fallen nicht mehr unter den Versicherungsschutz“, so Gierstorfer. Es handle sich nicht um höhere Gewalt, sondern um Vorsatz, so die Versicherung. „Dieser ist sogar polizeilich belegt“, betont der Inhaber.
Laut Polizei hat sich ein Obdachloser immer wieder bei den Beamten gemeldet und darum gebeten „weggesperrt zu werden“, weil er die Scheibe eingeworfen habe. „Er wollte vielleicht ein warmes Nachtlager erhalten“, vermutet Gierstorfer. Die Apotheke ist nicht allein betroffen. „In der Vergangenheit wurden auch Schaufenster anderer Geschäfte im Umkreis des Münchener Ostbahnhofes eingeworfen“, weiß der Inhaber.
Weil über einen längeren Freiheitsentzug des Obdachlosen ein Gericht entscheiden müsse, sei er bereits wieder auf freiem Fuß. „In diesem Fall spricht laut einem Gerichtssprecher die Verhältnismäßigkeit gegen eine Haft“, erklärt Gierstorfer. „Auch die Unterbringung in einem Krankenhaus war keine Lösung, teilte man mir mit.“ Da die Ärzte keine akute psychische Erkrankung feststellen konnten, wurde der Obdachlose demnach wieder entlassen. Für Gierstorfer steht jedoch fest: „Diese Serie muss beendet werden.“
Die beste Lösung sieht er darin, dem Obdachlosen zu helfen, eine Unterkunft zu finden. „Ich bin sogar bereit Geld zu spenden. Wir müssen versuchen, etwas dazu beizutragen“, betont er. Möglicherweise könnten auch Streetworker oder andere Hilfsdienste der Stadt zur Lösung des Problems beitragen, schlägt er vor.
Eine Unterstützung ist laut Gierstorfer dringend nötig. „Denn die Angriffe auf Schaufenster werden zunehmend gefährlicher. Während anfangs noch Flaschen gegen die Glasscheiben geschleudert wurden, die beim Aufprall zerbrachen, nutzte der Täter zuletzt einen Pflasterstein.“ Dieser sei sieben Meter durch die Apotheke geflogen. „Bei einem Angriff während der Öffnungszeiten wäre das für Mitarbeiter und Kunden lebensgefährlich“, macht Gierstorfer klar.
Warum der Apotheker nicht mehr mit finanzieller Unterstützung rechnen kann, erläutert Versicherungsexperte Michael Jeinsen: „Damit so ein Sachschaden vom Versicherer reguliert wird, muss er plötzlich, unerwartet und von außen kommen.“ Das sei bei den ersten beiden Ereignissen noch der Fall. „Doch bei den weiteren Scheiben ist – so zumindest die übliche Lesart der Versicherungsbranche – der Schaden nicht mehr plötzlich und unerwartet, sondern eben vorsätzlich erwartbar“, so Jeinsen.
Und weiter: „Da es sich beim Einwerfen einer Scheibe zudem um eine Straftat handelt, wäre eine weitere Übernahme der Kosten durch den Versicherer auch eine finanzielle Subvention von Straftätern“, stellt er klar. „Und eine solche verbietet das Versicherungsrecht“, so Jeinsen.
Für die Betroffenen sind das schlechte Nachrichten: „Mit einer Erstattung des Schadens können sie nach Lage der Dinge nicht rechnen“, macht der Versicherungsexperte klar. „Versuche, den mutmaßlichen Täter zu belangen, dürften ohne Erfolg bleiben.“
APOTHEKE ADHOC Debatte