Im vergangenen Jahr hat der Medizinische Dienst (MDK) in rund 3700 Fällen Behandlungsfehler festgestellt. In rund 2800 dieser Fälle (76 Prozent) erlitten Patientinnen und Patienten dadurch einen gesundheitlichen Schaden, wie aus dem Jahresbericht 2024 der Gutachter der Krankenkassen hervorgeht. Ein Drittel davon seien dauerhafte Schäden. Zudem seien rund 75 Todesfälle durch medizinische Fehler ermittelt worden.
„Tatsächlich weisen die Begutachtungszahlen auf ein immenses Problem hin“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Dienstes Bund, Dr. Stefan Gronemeyer, bei der Vorstellung der Statistik. „Fachleute gehen davon aus, dass es jährlich circa 17.000 fehlerbedingte vermeidbare Todesfälle in unseren Krankenhäusern gibt.“
Eine offizielle Statistik zu Behandlungsfehlern gebe es nicht, da diese in Deutschland nicht zentral erfasst werden. Die Dunkelziffer liege daher deutlich höher, sagte Gronemeyer. Der MDK forderte eine Meldepflicht für schwere Behandlungsfehler – also wenn eine medizinische Behandlung nicht angemessen, sorgfältig, richtig oder zeitgerecht durchgeführt wurde.
„Unsichere Versorgung hat nicht nur Folgen für die geschädigten Patientinnen und Patienten; sie kostet das Gesundheitssystem Milliarden Euro“, heißt es in dem Bericht. Maßnahmen zur Stärkung der Patientensicherheit seien daher unverzichtbar und müssten gesetzlich verpflichtend umgesetzt werden.
Insgesamt hat der MDK im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben rund 12.300 Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern erstellt. Demnach bestätigte sich mehr als jeder vierte Vorwurf. In mehr als jedem fünften war das Versehen auch ursächlich für einen Schaden. Die meisten Vorwürfe gab es im Bereich der Orthopädie und Unfallchirurgie.
Wenn Versicherte Behandlungsfehler vermuten, können sie sich bei den Krankenkassen oder bei Sachverständigen und Schlichtern der Ärzteschaft melden. Diese geben dann medizinische und juristische Gutachten in Auftrag. Solche Gutachten können unter Umständen dabei helfen, Forderungen nach Schadenersatz geltend zu machen.
134 Fälle wurden 2024 als sogenannte „Never Events“ eingestuft. Dazu gehören schwerwiegende Medikationsfehler, aber auch zurückgelassene Fremdkörper nach Operationen oder Verwechslungen von Patient:innen. Hier stelle man immer wieder die gleichen folgenschweren Fehler fest. „Wenn solche Fehler geschehen, dann bestehen Risiken im Versorgungsprozess, denen systematisch nachgegangen werden muss, um sie in Zukunft zu vermeiden und so Schäden an Patientinnen und Patienten zu verhindern“, erklärte Gronemeyer. Hier brauche es ein sanktionsfreies Meldesystem, das helfen würde, Fehler zu vermeiden. In vielen Ländern würde das bereits erfolgreich für die Prävention genutzt.
Der MDK weist im Bericht zudem darauf hin, dass Medikationsfehler seltener von den Patient:innen gemeldet würden, da sie oft nicht so einfach zu erkennen seien wie beispielsweise Fehler bei chirurgischen Eingriffen. Die Dunkelziffer sei also auch hier groß. Knapp 5 Prozent der Fehler entfielen auf den Bereich Medikamentöse Therapie (525 gemeldete Fälle, 184 festgestellte Fehler).
Der MDK schildert in seinem Bericht den Fall eines 86-jährigen Patienten: „Hier geschahen mehrere folgenschwere Fehler: So wurde ein Medikament, das oral verabreicht werden muss und dafür auf eine Spritze aufgezogen wurde, von einer Pflegekraft über den Venenzugang verabreicht. Diese Spritze wurde dann dem Bettnachbarn und damit dem falschen Patienten gespritzt. Der 86-Jährige bricht daraufhin zusammen und muss wiederbelebt werden“, heißt es im Bericht.
Insgesamt wurden 31 „Never Events“ im Bereich der Medikationsfehler festgestellt. Sie beinhalten den Schaden infolge der Gabe eines falschen Medikaments, in der falschen Dosis, zum falschen Zeitpunkt, durch die falsche Applikationsgeschwindigkeit, die falsche Zubereitung, den falschen Applikationsweg oder die Gabe trotz dokumentierter Allergie.
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