Infektionskrankheiten

Forscher: Molekül-Schere gegen HIV

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Berlin -

Lichtblick in der Aids-Forschung: Mehrere mit dem HI-Virus infizierte Labormäuse wurden wieder gesund. Experten entfernten den tödlichen Erreger weitestgehend aus den Tieren – mittels Biomedizin. Molekularbiologen am Universitätskrebszentrum (UCC) der Medizinischen Fakultät der TU Dresden züchteten dafür über Jahre ein Enzym, das die Viren in Zellen erkennt und aus dem Erbgut infizierter Zellen ausschneidet. Gemeinsam mit Kollegen vom Hamburger Heinrich Pette Institut/Leibniz Institut für Experimentelle Virologie gelang es dann, die Infektion bei Labormäusen zu behandeln.

„Es gibt verschiedene Methoden und ähnliche Ansätze, aber das Virus aus der infizierten Zelle herauszulösen, ist bisher einmalig“, sagt der Leiter der dortigen Abteilung Antivirale Strategien, Professor Dr. Joachim Hauber. Es ist nach seinen Angaben der bisher einzige Ansatz, bei dem eine Infektion wieder rückgängig gemacht wird und die behandelte Zelle dabei gesund überlebt. Ob das auch beim Menschen funktioniert, kann sich nur in klinischen Studien erweisen. Dafür fehlt den Forschern aber das notwendige Geld.

Die „molekulare Schere“ könnte in zehn Jahren ausgereift sein, sagt der Dresdner Teamchef Professor Dr. Frank Buchholz. Damit wäre eine somatische Gentherapie möglich. „Patienten wird Blut entnommen, daraus isoliert man die blutbildenden Stammzellen.“ Mit Hilfe eines Gen-Vektors werde dort dann im Labor der Bauplan für die Gen-Schere eingeführt. Da der Patient eigene genetisch veränderte Blutzellen zurückbekommt, gibt es laut Buchholz keine Abstoßungsreaktionen.

Die Forscher gehen davon aus, dass dann nach und nach immer mehr genetisch veränderte Immunzellen heranwachsen und so das Blutsystem erneuert wird. Die geheilten Zellen könnten dann ihre Aufgabe im Immunsystem verrichten, was langfristig zu einer Heilung beitragen könnte, sagt Buchholz. Bei den Mäusen sei das zumindest teilweise gelungen. „Die Virusmenge nahm deutlich ab oder war im Blut gar nicht mehr nachweisbar“, berichtet Hauber. Aber wegen der relativ kurzen Lebensdauer der Labormäuse habe das Tiermodell Grenzen.

Das Dresdner Team hatte 2007 das natürliche Enzym durch Mutationen und Selektionen so gezüchtet, dass es das HI-Virus erkennt – über fünf Jahre und 120 Evolutionszyklen. „Der HI-Erreger gehört zu den Retroviren, die die Erbsubstanz in die DNA der infizierten Zellen einfügen“, erklärt Buchholz. Rekombinasen könnten den DNA-Strang aber zerschneiden und neu zusammensetzen. Den Forschern gelang es, sie so zu manipulieren, dass sie eine Wunschsequenz erkennen und präzise entfernen können. „Das Verfahren ist zum Patent angemeldet.“

Mit einer Breitband-Schere können laut Hauber mehr als 90 Prozent der bekannten HI-Viren bekämpft werden. „Der entscheidende Schritt aber, die Erkenntnisse an die Patienten zu bringen, sind klinische Studien, und da stehen wir an.“ Bei der Überführung von Forschungserfolgen in die Klinik hake es in Deutschland. „Das Potenzial wird nicht genutzt“, kritisiert Hauber. So zeige auch die Pharmaindustrie bisher wenig Interesse an einer potenziell heilenden Aids-Therapie. Daher hoffen Hauber und Buchholz auf Sponsoren und öffentliche Mittel.

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