Kommentar

Doch, Versender gefährden Apotheken!

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Berlin -

Wie ein roter Faden zieht sich die Behauptung, Versender seien Apotheken, durch einen aktuellen Beitrag von RTL Extra – und impliziert damit eine Gleichwertigkeit, die es nicht gibt. Der Preis ist nicht alles, und dass beide Formen derzeit nebeneinander bestehen, ist keine Symbiose. Ein Kommentar von Katharina Brand.

Die Darstellung von RTL ist für Laien mehr als irreführend. Während Versender Handelsunternehmen mit Fokus auf Logistik und Preis sind, haben echte Apotheken einen gesetzlichen Versorgungsauftrag. Genau das ist vielen Verbraucher:innen aber keineswegs klar, wie zuletzt auch das Video einer Studierenden auf TikTok aufzeigte. Die junge Frau war der Meinung, tatsächlich in einer Apotheke eingekauft zu haben – dabei handelte es sich um eine Bestellung bei Shop Apotheke.

Diese fundamentale Dissonanz hätte auch die Berichtserstattung von RTL klar trennen müssen. Stattdessen wird immer wieder betont, dass Versender ganz normale Apotheken seien und natürlich auch Rezepturen anfertigten. Als Beweis dafür wird bei DocMorris in Heerlen einmal mit der Kamera durch die Rezeptur geschwenkt und ein – im Vergleich zu einer echten Apothekenrezeptur – spärlich bestückter Schrank mit Rezeptursubstanzen geöffnet. Darüber können Apothekenteams wahrscheinlich nur müde lächeln.

Online, lokal, egal

Das Grundproblem des Beitrags bleibt aber, dass der Fokus klar auf dem Preis von OTC-Präparaten liegt. Dabei verpasst es RTL allerdings, wirklich transparent mit seiner eigenen Herangehensweise umzugehen. Weder wird die genaue Anzahl der besuchten Apotheken genannt, noch sind die Preise aus dem Gedächtnisprotokoll tatsächlich nachzuvollziehen. Wie kommt man im Schnitt auf 18,95 Euro für Grippostad C?

Und überhaupt: Dass die Vor-Ort-Apotheken, im Gegensatz zu den Versendern, preislich in der Nähe der Preisempfehlungen (UVP) bleiben – diese liegt bei Iberogast Classic 20 ml bei 13,99 Euro, Apotheken sollen im Schnitt 13,99 Euro verlangt haben, Versender aber 7,99 Euro – kommt mit keiner Silbe zum Tragen. Es geht stets um den günstigsten Preis, ohne Rücksicht auf Verluste, ohne Beratungsanspruch. Da hilft es auch nicht, dass das Apothekensterben angesprochen wird oder wie wertvoll die Beratung vor Ort für Patientinnen und Patienten sein mag. Solche Randbemerkungen verblassen vor Streichpreisen.

Auch der Kommentar, dass Apotheken ihre Angebote im Gros nicht über Prospekte kommunizieren und man diese nur vor Ort erfahren würde, nimmt Wunder. Nach wie vor sind vielerorts Flyer in Tageszeitungen völlig gängig, gleiches gilt für Social Media und die üblichen Apotheken-Apps.

Das Rx-Geschäft bleibt hingegen eine Randbemerkung – dabei wäre doch hier gerade die Chance gewesen, Ungerechtigkeiten aufzuzeigen und für Verbraucher:innen aufzuschlüsseln – Stichwort Notdienst, Stichwort Dokumentation, weiteres Stichwort hier einfügen, die Liste ist immerhin noch lang.

So sehr es dem Magazin auch um den Preis geht, umso weniger wird tatsächlich darüber berichtet, wie die Niedrigpreise der Versender eigentlich zustande kommen. Als Gründe werden gute Konditionen und Herstellerbeziehungen genannt – das war‘s. Die Möglichkeit, dass Versender wie Redcare im Gegensatz zu Vor-Ort-Apotheken Verluste schreiben und trotzdem weiterhin bestehen können, wird unterschlagen.

Ja zur Apotheke, Nein zur Apotheke

Das Resümee des Beitrags, dass beide „Apothekenmodelle“ ihre Stärken hätten und Verbraucher:innen von der Existenz beider in Zukunft profitierten, lässt dabei völlig außer acht, dass die Existenz des einen das Überleben der anderen massiv gefährdet.

Worauf soll es – gemäß dieser Logik – also langfristig hinauslaufen? Dumpingpreise für OTC aus dem Ausland und in Notfällen in die Apotheke vor Ort rennen? Genau so läuft es bei vielen Menschen bereits – und der RTL-Beitrag befeuert diese Vorgehensweise.

Immerhin ist es laut Professor Dr. Andreas Kaapke völlig egal, wo sich Verbraucher:innen beraten lassen – Hauptsache sie tun es, wenn sie denn selbst Unsicherheit verspüren. Was der Handelsexperte, der selbst lange im Dienste der Apothekerschaft stand, unterschlägt: (Einnahme-)Fehler können auch ohne Unsicherheit passieren – nämlich durch mangelndes Bewusstsein darüber, durch eingefahrene Verhaltensmuster („Das habe ich schon immer so genommen“) und vor allem durch fehlende Beratung. Die ist in Vor-Ort-Apotheken gängig – bei Versendern müssen die Verbraucher:innen selbst aktiv werden. In allen anderen Fällen sollen Laien Suchmaschinen im Internet benutzen, um den günstigsten Preis für ihr Präparat zu ergattern.

Sollten dieses – auch durch RTL Extra – propagierte und befeuerte Konsumverhalten weitergehen, werden die Versender weiter Zulauf haben, wird das Apothekensterben weitergehen. Aber diese Rechnung hat RTL Extra schlicht und ergreifend nicht aufgemacht – es geht nur um den Preis. Die Frage an die Bevölkerung hätte lauten müssen, ob sie lieber die günstigeren Preise der Versender mitnimmt oder ob sie eine persönliche pharmazeutische Betreuung zu jeder Tages- und Nachtzeit sichergestellt wissen will.

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