Kommentar

Wut auf Versender: Maulkorb für Apotheker

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Berlin -

Ein Apotheker wird in der Regionalzeitung interviewt und schimpft über den Versandhandel. Ist das Meinungsfreiheit? Das Oberlandesgericht München (OLG) hat zugunsten von Shop Apotheke entschieden und einen wesentlichen Aspekt ausgeblendet: Ein Vor-Ort-Apotheker kann überhaupt nur deshalb für die Werte vor Ort eintreten, weil er sie verkörpert. Das hat mit Werbung nichts zu tun. Ein Kommentar von Carolin Ciulli.

In dem Fall geht es um ein Interview, das ein bayerischer Apotheker dem Münchener Merkur gegeben hat. Dabei muss man festhalten, dass es keine Anzeige des Apothekers, sondern ein redaktioneller Text war. Die Richter des Oberlandesgerichts München sehen das Ganze dennoch als Werbung: Sie monieren, dass die Aussagen im Lokalteil getroffen wurden und deshalb davon asuzugehen sei, dass der Inhaber nur sein eigenes Geschäft fördern wollte. Dafür spreche auch, dass der Apotheker auf dem angefügten Foto in seiner Apotheke im Kittel zu sehen ist.

Da frage ich mich, wie soll er denn sonst dargestellt sein? Wäre es ein Unterschied, wenn er im Pullover zu Hause in seiner Küche säße? Wäre es deshalb weniger absatzfördernd, wie das Gericht ihm unterstellt?

David gegen Goliath

Im Grunde spricht es Bände, wie der Kampf von David gegen Goliath derzeit ausgetragen wird. Auf der einen Seite stehen Inhaberinnen und Inhaber, die allen Widrigkeiten zum Trotz tagtäglich die Versorgung am Laufen halten. Die ihre Kundinnen und Kunden persönlich kennen und oft auch über Ladenschluss hinaus für sie ansprechbar sind. Und die auch noch mit ihrem gesamten Privatvermögen dafür haften, dass in ihrem Betrieb alles korrekt läuft.

Und auf der anderen Seite stehen Versandkonzerne, die anonym und mit viel Logistik aus den Niederlanden heraus Pakete verschicken. Bei denen die Chefs in Vorstandsbüros sitzen und die Aktionäre vielleicht ganz klischeehaft in schicken Villen mit Beteiligungsgesellschaften in Steuerparadiesen. Und die mit hochbezahlten Lobbyisten und Juristen ihre Interessen durchsetzen.

Ist das die Gesellschaft, in der wir leben wollen? Zugegeben, der Apotheker muss seine Aussagen am Wahrheitsgehalt messen lassen. Und den Versendern pauschal vorzuwerfen, sie zahlten keine Steuern (in Deutschland) und leisteten keine Beratung (persönlich), geht nicht. Da muss er hinnehmen, wenn er von Anwälten belangt wird.

Aber die Richter verkennen in ihrem Beschluss völlig, dass der Apotheker nicht nur Kaufmann, sondern eben auch Heilberufler mit Versorgungsauftrag ist, der sich sehr wohl kritisch mit der Entwicklung in der Versorgungslandschaft auseinander setzen muss. Wer ihm unterstellt, die Risiken des Versandhandels nur deswegen zu schildern, um direkt an den eigenen Verkauf von der nächsten Aspirin-Packung zu denken, der hat nicht begriffen, welch hohes Gut im Gesundheitswesen – und in der Gesellschaft – gerade auf dem Spiel steht.

Bleibt zu hoffen, dass der Apotheker den Willen und die Kraft hat, den Beschluss anzufechten und Widerspruch einzulegen. Denn es sollte nochmals höchstrichterlich entschieden werden, wie weit die Meinung eines Apothekers gehen darf. Und wer hier wirklich ideelle Werte vertritt und für sie einsteht.

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