„Wirtschaftliches Risiko des Unternehmers“

Urteil: Versender müssen Medikamente zurücknehmen

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Berlin -

Versandapotheken müssen damit leben, dass sie Verbraucherinnen und Verbrauchern ein Widerrufsrecht einräumen müssen, auch wenn sie retournierte Arzneimittel nicht wieder in Verkehr bringen dürfen. Das hat das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) entschieden. Die Verbraucherzentrale Brandenburg hatte gegen die Bad-Apotheke (Apotal) von Henning Fichter geklagt, die ihrerseits mit DocMorris verbunden ist.

„Die Unverkäuflichkeit zurückgegebener Arzneimittel allein reicht als Begründung nicht aus, um das Widerrufsrecht auszuschließen“, so das OLG. Ein spezifischer Ausschlussgrund vom Widerrufsrecht greife im Hinblick auf die Unverkäuflichkeit retournierter Arzneimittel nicht: „Dass die Vorgaben zur Arzneimittelsicherheit die Verkehrsfähigkeit von zurückgegebenen Arzneimitteln unionsrechtlich ausschließen, bedeutet nicht per se, dass eine korrespondierende Erweiterung des Ausschlusses des Widerrufsrechts geboten erscheint.“

Weder handele es sich um individualisierte noch um schnell verderbliche Produkte im Sinne von § 312g Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Zwar könnten zurückgegebene Arzneimittel nach zehn Tagen nicht mehr zurück in die Verifizierung gegeben und damit nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Aber dabei gehe es um eine ganz andere Thematik: „Der bloße Umstand, dass als ‚abgegeben‘ registrierte Arzneimittel nach Ablauf der 10-Tagesfrist zum Schutz vor Rückbuchungen von gefälschten Arzneimitteln nicht mehr in den Verkehr gebracht werden können, gebietet nicht, diese – im Interesse der Unternehmer – als (rechtlich) verderbliche Ware […] anzusehen.“

Denn: „Die Versandapotheken profitieren wirtschaftlich offenkundig von der Möglichkeit des Arzneimittelversands. Die Unverkäuflichkeit retournierter Arzneimittel stellt zwar eine Einschränkung der wirtschaftlichen Lukrativität des Versandabsatzgeschäftes dar. Hierbei handelt es sich aber um ein wirtschaftliches Risiko des Unternehmers, dessen Abwälzung auf den Verbraucher nicht sachgerecht erscheint.“

Auch das Argument, dass ein Verbraucher systematisch auf Verdacht Arzneimittel bestelle, erscheine wenig naheliegend: Einerseits könne er sie gar nicht testen, ohne sein Widerrufsrecht zu verlieren. Andererseits bringe die Übersendung der Ware keinen nennenswerten Vorteil, da sogar der Beipackzettel online eingesehen werden könne. Soweit es also tatsächlich im Einzelfall Bestellungen auf Verdacht geben sollte, komme der Missbrauchseinwand als die spezifische und im Hinblick auf die Einschränkung des Verbraucherschutzes mildere Antwort in Betracht.

Gleiches gelte für das Entfernen des Schutzsiegels: Auch dies könne zwar im Einzelfall vorkommen, rechtfertige aber keinen generellen Ausschluss des Widerrufsrechts.

Da Arzneimittel- und Verbraucherrechte verschiedene Zwecke verfolgten, könnten sie auch zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen – nämlich dem Bestehen eines Widerrufsrechts, auch wenn der Rückversand die Unverkäuflichkeit der Ware nach sich ziehe. „Es geht dagegen gerade nicht darum, ein ‚Testen‘ von Arzneimitteln zu ermöglichen. Folge der Rücksendung ist die mangelnde Verkehrsfähigkeit der Arzneimittel. Wirtschaftlich schmälert dies lediglich den Profit der versendenden Apotheken. Dass dies eine nicht zu rechtfertigende Sonderbelastung der Apotheken darstellt, erschließt sich nicht, da diese von dem erweiterten Absatzmarkt zugleich profitieren.“

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