Kritik an missverständlicher Lokalpresse

„Spätestens 2030 beherrschen Versender den Markt“

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Berlin -

„Boni bei Arzneimittelkauf zulässig“ titelten die Lüdenscheider Nachrichten am 18. Juli – einen Tag nachdem die Preisbindung für Versender vorerst aufgehoben wurde. Das konnte Dr. Wolfgang Scholz, Inhaber der Hirsch-Apotheke in Lüdenscheid, so nicht stehenlassen. Er bezog Stellung und liefert gleichzeitig eine düstere Zukunftsprognose: Sollte die Politik nicht handeln, werden ausländische Versender spätestens 2030 mehr als die Hälfte des deutschen Arzneimittelmarkts beherrschen – und die Zahl der Apotheken vor Ort könnte sich halbieren.

Scholz klärt auf, dass sich die Lokalpresse auf ein veraltetes BGH-Urteil von 2012 beziehe, das vor der Novellierung des Sozialgesetzbuches V im Jahr 2020 galt. Zwar habe sich die Zeitung später korrigiert, doch Scholz kritisiert, dass die Berichterstattung über ungesetzliche Zuwendungen beim Arzneimittelkauf groß auf der Titelseite erschien, während die korrekte Information zur Unzulässigkeit überhöhter Zuwendungen bei Hörgeräten nur auf Seite 6 zu finden war.

Der BGH hatte „entsprechend aktueller Rechtslage einem Anbieter von Hörgeräten untersagt, beim Kauf von Hörgeräten Payback-Punkte zu gewähren, die den Wert einer ,geringfügigen Kleinigkeit‘ von einem Euro übersteigen. Warum dann Gutscheine in Höhe von 3, 10 oder gar 25 Euro beim Arzneimittelkauf in Ordnung sein sollten, ist absolut unverständlich“, kritisiert Scholz.

Ausländische Marktdominanz und Apothekensterben

Scholz verweist darauf, dass 19 von 27 EU-Staaten den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verboten haben, „weil die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln eine systemrelevante Angelegenheit ist und viel zu ernst, um sie zum Spielball internationaler Kapitalgesellschaften zu machen.“

Zum Apothekensterben in Deutschland sagt Scholz: „Das Apothekenhonorar wurde über 20 Jahre nicht an die Inflation angepasst. Dazu kommt, dass ausländische Versender über quasi unerschöpfliche Kapitalquellen verfügen und mit teuren Werbekampagnen den Markt dominieren.“ Sollte die Politik nicht handeln, „werden ausländische Versender spätestens 2030 mehr als 50 Prozent des deutschen Arzneimittelmarktes beherrschen, und die Zahl der Apotheken vor Ort wird sich auf weniger als 10.000 halbieren.“

Versender bedrohen Vor-Ort-Apotheken

Scholz betont, dass eine Arzneimittelversorgung, die von ausländischen Versendern abhängt, nicht sicher sein könne: „Sie ist abhängig vom Funktionieren des Internets, anfällig für Hackerangriffe, Stromausfälle und logistische Störungen.“ Zudem sei die persönliche Beratung in der Apotheke vor Ort unverzichtbar, insbesondere „wenn Patienten ihr Arzneimittel sofort brauchen oder nachts und an Feiertagen.“

Er warnt auch vor den wirtschaftlichen Folgen: „Ausländischer Versandhandel bedeutet eine Verlagerung von Wertschöpfungen und Gewinnen ins Ausland, was der heimischen Wirtschaft erheblichen Schaden zufügt.“ Zudem verursache er „immensen Verpackungsmüll, hohe Transportkosten und CO2-Emissionen, was den Zielen der Klima- und Umweltpolitik zuwiderläuft.“

Die Rechtsprechungen findet Scholz dieser Tage widersprüchlich: „Während der BGH einem Hörgeräteanbieter untersagt, Payback-Punkte über einem Euro zu gewähren, ist völlig unverständlich, warum Gutscheine über 3, 10 oder 25 Euro beim Arzneimittelkauf geduldet werden.“

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