Aggressives Marketing

Redcare: Rx-Wachstum wird immer teurer

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Berlin -

Wie viel darf die Akquise von Rx-Kunden kosten? Die Versender investieren seit dem Launch des E-Rezepts massiv in Kampagnen und Boni, um möglichst viele Verordnungen abzufischen. Denn einmal gewonnen, bleiben die Kundinnen und Kunden dem Versandhandel treu, so die Hoffnung. Tatsächlich ist die Wachstumskurve zuletzt aber bei massiv gestiegenen Kosten abgeflacht.

Seit Herbst liegen bei Redcare die Marketing- und Vertriebskosten bei rund 150 Millionen Euro – pro Quartal. Das sind deutlich mehr als in den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres oder auch früheren Zeiträumen: Konkret waren es zwischen Oktober und Dezember 151 Millionen Euro, dann 154 Millionen Euro und zuletzt 145 Millionen Euro, verglichen mit 117, 114 und 120 Millionen Euro in den ersten drei Quartalen 2024 und jeweils etwas mehr als 90 Millionen Euro im Jahr zuvor.

Erklärtes Ziel ist es, möglichst schnell ein großes Stück vom Rx-Kuchen abzubekommen. Denn Kundinnen und Kunden, die einmal ihre E-Rezepte im Versandhandel eingelöst hätten, blieben besonders lange treu, so Redcare-CEO Olaf Heinrich schon im Oktober.

Tatsächlich spricht aber die Entwicklung der Marktanteile eine andere Sprache: Während die Aufwendungen für das Marketing auf Rekordniveau liegen, hat sich die Umsatzkurve nach einem rasanten Anstieg im vergangenen Jahr zuletzt sichtbar abgeflacht. Das Rx-Geschäft hat sich im vergangenen Jahr von 37 Millionen Euro im ersten Quartal auf 98 Millionen Euro im vierten Quartal deutlich mehr als verdoppelt; im ersten Quartal wuchsen sie nur noch auf 108 Millionen Euro und im zweiten Quartal auf 114 Millionen Euro.

Marktanteil stagniert

Anders ausgedrückt: Der Marktanteil wuchs im vergangenen Jahr von 0,27 auf 0,66 Prozent und liegt in diesem Jahr stabil bei 0,87 Prozent. Heinrichs These aus dem vergangenen Jahr, man könne das Marketing auch komplett einstellen, Aufträge kämen dann immer noch, scheint sich also nicht zu bewahrheiten. Im Gegenteil: Offenbar ist es für Redcare zuletzt deutlich teurer geworden, sich Rx-Umsätze zu kaufen. Und das, obwohl die Zahl der aktiven Kundinnen und Kunden seit einem Jahr um jeweils circa eine halbe Million pro Quartal auf zuletzt 13,5 Millionen gewachsen ist.

Redcare-CEO Olaf Heinrich
Redcare-CEO Olaf Heinrich will die Gunst der Stunde nutzen.Foto: Andreas Domma

Heinrich versucht, die Bedenken zu zerstreuen. Man sehe ganz klar einen Aufwärtstrend auch beim Marktanteil; er sei sehr zufrieden mit der Entwicklung. Auch wenn man zuletzt signifikant mehr für das Marketing ausgegeben habe: Man habe ein klares Verständnis darüber, wie viel Geld man ausgeben müsse und lerne täglich dazu, was die Optimierung der Kosten für die Kundenakquise (Customer acquisition costs, CAC) angehe.

Zugegeben, das zweite Quartal sei nicht das stärkste gewesen; dies habe aber auch mit Verschiebungen bei den Feiertagen zu tun, räumt Finanzchef Jasper Eenhorst ein. Jetzt sei man wieder zurück im Normalzustand, so Heinrich. Um das Ziel von mehr als 500 Millionen Euro im Gesamtjahr zu erreichen, müsse man das Wachstum jetzt eben noch einmal beschleunigen. Dazu soll auch das Geld genutzt werden, das man im April eingesammelt hat. „Wir waren finanziell noch nie so gut aufgestellt wie jetzt“, so Eenhorst.

BGH-Urteil als Meilenstein

Zum weiteren Wachstum soll auch der Rx-Bonus beitragen, der laut Heinrich durch den Bundesgerichtshof (BGH) „wirklich klar erlaubt“ wurde. Die Entscheidung sei ein Meilenstein, auch wenn sie zu keinem Sprung bei den Bestellungen geführt habe. An der Strategie von Redcare habe sich nämlich nichts geändert, da man Boni schon vor dem Urteil gewährt habe.

Dass Konkurrent DocMorris sein Bonusmodell nur eine Stunde nach der Entscheidung aus Karlsruhe umgestellt habe, beobachte man mit Interesse. Auch Redcare sei jederzeit in der Lage, sein Angebot anzupassen, sofern dies notwendig oder vorteilhaft sei. „Uns stehen alle Möglichkeiten offen“, so Heinrich. Aktuell sehe man dazu aber keinen Anlass. „Wir fühlen uns mit unserem aktuellen Modell sehr wohl.“

Und dass auch Apothekenplattformen wie Gesund.de einen erheblichen Anteil an Umsätzen gewinnen konnten, ist laut Heinrich im Grunde ein gutes Zeichen: „Auf diese Weise helfen sie dabei, die digitale Transformation des Apothekenmarktes voranzutreiben. Das sind auf jeden Fall gute Nachrichten für die Patienten, das System und auch die Apotheken.“

Preisbindung als Schutzzaun

Aus Heinrichs Sicht war die Preisbindung – neben dem Fremdbesitzverbot – einer der wesentliche Schutzzäune im deutschen Apothekenmarkt. Dass es weder dem Bayerischen Apothekerverband als Kläger noch – und das sei viel wichtiger – der Bundesregierung gelungen sei, die geforderten Nachweise für eine Beeinträchtigung der flächendeckenden Versorgung zu erbringen, spreche Bände. Die Zahl der Apotheken sei von 23.000 auf 17.000 zurückgegangen, obwohl der Versandhandel insgesamt bislang nie einen Marktanteil von 2 Prozent erreicht habe. Das habe der BGH anerkannt.

Dass die Regelung doch noch über das Sozialgesetzbuch (SGB V) Bestand haben könne, glaubt Heinrich nicht: Denn hier gebe es inhaltlich keinerlei Unterschied. Sein Appell an die Investoren: Nicht verrückt machen lassen von den vielen Störgeräuschen im Markt. Der Markt sei komplex, aber man sei lange genug im Geschäft und wisse genau, wie man vorgehen müssen. „Jetzt beginnt es erst.“

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