„Krank sein muss man sich tatsächlich heute leisten können“, titelte RTL Extra in einer aktuellen Ausgabe. Das TV-Magazin hat einen bundesweiten Preisvergleich angestellt und macht die Frage auf, ob Verbraucher:innen bei Versendern bestellen sollten. Dazu wurde nicht nur mit einer PTA-Influencerin gesprochen, sondern auch mit der Chefapothekerin von DocMorris und Redcare-CEO Olaf Heinrich. Letzter betont zudem, dass Shop Apotheke „ganz normal Rezepturen“ anbiete.
In dem Beitrag führte RTL einen Vergleich an: 2006 habe das Magazin eine Packung Aspirin mit 20 Tabletten noch für 4,85 Euro gekauft. Heute würde die gleiche Packung 9,45 Euro kosten. „Kopfweh ist eh schon nervig – und jetzt auch noch richtig teuer“, so die Moderatorin. „Warum eigentlich?“ Andererseits: Apotheken vor Ort haben laut RTL Extra ganz schön zu kämpfen. „Allein im ersten Halbjahr mussten 300 Apotheken schließen. Tendenz weiter steigend.“
Für den Preisvergleich verglich RTL Extra die Preise der Versender Shop Apotheke, DocMorris und Apo.com mit denen von Vor-Ort-Apotheken aus unterschiedlichen Großstädten. Über zwei Wochen wurden die Arzneimittelpreise der Versender beobachtet. Gravierende Preisschwankungen habe es kaum gegeben. Die Preise wurden jeweils gemittelt; eine Aufschlüsselung, wie viele Apotheken kontrolliert wurden, gab es nicht.
Das Magazin fragte lokal verdeckt und online die Preise für die folgenden Präparate nach:
Das Magazin betonte wiederholend, dass es innerhalb derselben Stadt starke Preisschwankungen im Test gegeben habe. In Köln beispielsweise habe das Ibuprofen-Präparat in der einen Apotheke 14,80 Euro, in einer weiteren 14,12 Euro, in der nächsten 13,45 Euro und in einer anderen 11,45 Euro gekostet.
RTL bezeichnet es als ein „Preischaos“. Eine Reporterin fragte inkognito in einer Hamburger Apotheke nach, warum die Preise derart schwanken; die Apothekenangestellte verwies auf die Versender: „Die können Unmengen kaufen. Das kann eine Apotheke ja nicht.“
In einer Münchner Apotheke lag Grippostad C bei 17,95 Euro. Die Apothekenangestellte wies auf Rabattaktionen der Apotheke hin, die für drei bis vier Wochen gelten. RTL kommentierte: „Rabattaktionen erfahren wir Verbraucher meist nur direkt im Handel, da es häufig keine Prospekte über Angebote gibt.“
In einer Leipziger Apotheke bot die Apothekenmitarbeitende an, der Reporterin preislich entgegenzukommen. Beim Iberogast bot sie 12,50 Euro: „Sonst bleiben wir leider nicht konkurrenzfähig.“ Ihre Chefin sage, „bevor uns die Kunden ganz flöten gehen“, würden die Preise mit den Versendern verglichen und es werde geschaut, was preislich „machbar“ sei.
Daraus schließt RTL Extra: „Nach Rabatt fragen kann sich also lohnen.“ Das Fazit des verdeckten Apotheken-Tests: Bundesweit stets unterschiedliche Preise, stets deutlich teurer als die Versender.
Handelsexperte Professor Dr. Andreas Kaapke erklärt gegenüber RTL Extra: „Das sind unterschiedliche Kaufleute. Jeder macht die Preispolitik für sich.“ Das Magazin machte auch transparent, dass bei Rx-Präparaten die Arzneimittelpreisverordnung gelte – und dass diese 2020 für Versender aufgehoben wurde, in Deutschland aber weiter gelte. Das führe zu einem Wettbewerbsnachteil für deutsche Vor-Ort-Apotheken. „Rund 80 Prozent der Medikamente fallen unter die Arzneimittelpreisverordnung. Da gibt es keine Unterschiede von Apotheke zu Apotheke“, erklärte Kaapke.
Sonja Thüllen, Chefapothekerin DocMorris, trägt in Heerlen laut Bericht die Verantwortung für rund 150 PTA. „Genau wie in den Vor-Ort-Apotheken wird auch hier mit pharmazeutischer Fachkompetenz gearbeitet“, kommentiert RTL ihre Aussage. Jede Verordnung, die eingehe, werde auch geprüft. Jeder Kunde, der bei DocMorris bestelle, müsse ein Kundenkonto haben. Laut Thüllen ist es niederländische Vorgabe, dass ein Medikationsdossier geführt werde. Der Versender hat laut RTL Extra etwa 10,6 Millionen aktive Kunden und rund 150.000 monatliche Beratungen, die via Chat, Telefon, E-Mail oder Video durchgeführt werden.
Der Vorwurf, Versender würden keine Rezepturen herstellen, kann laut RTL „widerlegt werden“. Eine PTA wird in der Rezeptur in Heerlen gezeigt, ein Substanzenschrank abgefilmt. Thüllen erklärte dazu: „Wir haben hier sechs Arbeitsplätze, die können aber noch beliebig erweitert werden.“
Dasselbe gelte für Redcare mit mehr als 12,5 Millionen Kund:innen. Heinrich erklärt: „Sehen Sie, das Apothekengeschäft ist komplett reguliert und geschützt.“ Medikamente seien kein Konsumgut, „wir sind auch eine Apotheke“. Die Streichpreise, die Shop Apotheke habe, stünden für Transparenz. „Also wenn die Frage ist, warum Apotheken vor Ort sich ungerecht behandelt fühlen, das kann ich nicht wirklich nachvollziehen, weil das ist ein stark reguliertes Geschäft.“
Die günstigen Preise erklärt Thüllen mit guten Herstellerkontakten. „Wir können darüber einfach gut einkaufen. Die günstigen Preise geben wir gerne an die Verbraucher weiter.“ Laut RTL werden bei DocMorris täglich rund 65.000 Pakete auf den Weg gebracht.
RTL konfrontierte sowohl Thüllen als auch Heinrich mit einem Video von PTA und PKA Paulina Kuberczik: „Das muss bei euch einfach im Kopf ankommen, was ihr damit bewirkt, wenn ihr bei einer Online-Apotheke bestellt, die ihren Sitz nicht in Deutschland hat“, hatte Kuberczik – auf Instagram besser bekannt als Paulini_Mathini – in einem Reel erklärt. Im Gespräch mit RTL stellte Kuberczik klar: „Diese Riesen – DocMorris, Shop Apotheke und Co. – die zerstören wirklich peu a peu die kleinen öffentlichen Apotheken.“
Während Versendern große Lagerflächen zur Verfügung stünden, sei das in Apotheken Vor Ort eben nicht möglich. „Wir haben nicht die Möglichkeit, 400, 500, 600 Packungen von allen gängigen Medikamenten vorrätig zu haben“, erklärt die PTA/PKA im Interview. „Je mehr man kauft, umso größer sind die Rabatte. Aber da kann keine normale Apotheke mithalten.“ Hinzu kämen Personalkosten, die bei den Versendern kaum ins Gewicht fielen.
Sie appellierte, dass die Apotheke vor Ort nicht der letzte Notnagel für Verbraucher:innen sein dürfe. Die Versender würden genutzt um Geld zu sparen, „Aber wenn’s Probleme gibt, dann kommen die Leute zu uns und sagen: Die haben mir nicht geholfen, jetzt helfen Sie mir bitte.“
„Das ist komplett wirres Zeug“, kommentiert Heinrich im Beitrag. „Die kriegen die Sachen bei uns viel häufiger als in einer Vor-Ort-Apotheke.“ Warenverfügbarkeit und Reichweite seien bei Shop Apotheke „einfach viel viel besser“ als bei lokalen Apotheken. Dass Shop Apotheke keine Rezepturen anbiete, kommentiert Heinrich als „kompletten Unsinn“. „Wir bieten ganz normal Rezepturen an wie jede andere Apotheke auch.“
Thüllen kommentiert zum Reel, dass es natürlich den Wettbewerb der lokalen Apotheken gebe. In derselben Straße gebe es zwei, drei oder vier Apotheken. „Davon kann dann leider nicht jede überleben.“ Dazu kämen noch andere Faktoren wie der allgemeine Preisdruck, Druck im Gesundheitssystem und in Vor-Ort-Apotheken das Thema Nachfolge.
Abschließend stellt RTL die Frage, wo man denn nun seine Medikamente als Verbraucher kaufen solle – online oder im lokalen Handel? Kaapke empfiehlt „für Schnäppchenjäger“ Vergleichsportale zu nutzen. Das betont RTL im Beitrag nachdrücklich. Bei Vorratskäufen empfiehlt das Magazin den Onlinekauf, „da sparen Sie Versandkosten“.
Aber es gibt eine Einschränkung: „Wenn Sie unsicher sind, holen Sie sich eine Beratung“, empfiehlt Kaapke. Ob der Verbraucher dabei eine Vor-Ort-Apotheke wähle oder einen Versender, sei dabei „egal“. Ob online oder vor Ort auf dem Kiez: „Beide Apothekenmodelle haben ihre Stärken“, schließt RTL Extra. „Und wir Verbraucher profitieren, wenn beide in Zukunft bleiben.“