Fragebogen für Folgeverordnung

Prio One: „Pille online bestellen statt zum Arzt zu dackeln?“

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Berlin -

„Meine Antibabypillen kommen jetzt einfach zu mir nach Hause, ganz ohne Arztbesuch!“, heißt es im aktuellen Werbeclip von Prio One. Die stand vor einigen Jahren bereits in der Kritik – und hat sich seitdem weiterentwickelt. Mittlerweile verschickt die Plattform des Hamburger Unternehmens neben der Verhütungspille auch Antibiotika – und Wegovy.

Fragebogen ausfüllen – Rezeptausstellung – Lieferung: Prio One bietet einen vollständig digitalen Service für den einfachen und schnellen Zugang zu Verhütungsmitteln. Das Unternehmen bietet Kundinnen die Möglichkeit, über ihre telemedizinische Plattform Verordnungen für orale Kontrazeptiva, den Vaginalring oder das transdermale Kontrazeptivum anzufordern. Die Abwicklung erfolgt vollständig digital, einschließlich der Lieferung der Medikamente nach Hause. „Pille online bestellen statt zum Arzt zu dackeln?“ So heißt es im aktuellen Werbeclip des Hamburger Unternehmens. Die Behandlungsgebühr beträgt 9,90 Euro, die Medikamente sind ab einem Preis von 24,90 Euro erhältlich.

Um gesundheitliche Risiken auszuschließen, füllen Kund:innen zunächst einen medizinischen Fragebogen mit 21 Fragen aus. Dieser wird laut Prio One von einem Ärzteteam sorgfältig geprüft. Verläuft das erfolgreich, wird ein Rezept erstellt und direkt an einen Versender übermittelt. Die Medikamente werden dann innerhalb von ein bis drei Werktagen an die gewünschte Adresse geliefert. Das sollen Kundinnen über eine Versandbestätigung mit Trackinglink nachverfolgen können.

Nicht nur Kontrazeption

Seit seinen Anfängen hat sich das Unternehmen weiterentwickelt. „Es ist unsere Vision, Frauen bei allen gynäkologischen Bedürfnissen zur Seite zu stehen und die Gesundheit von Frauen weltweit zu verbessern, indem wir ihr Wohlbefinden in den Mittelpunkt stellen“, schreibt Prio One über sich selbst. Und tatsächlich: Das Produktportfolio wurde in der Zwischenzeit stark erweitert: Im Rx-Bereich verkauft die Online-Plattform beispielsweise Wegovy in sämtlichen Stärken – für knapp 500 Euro pro Vier-Wochen-Packung. Neben Nahrungsergänzungsmitteln können Frauen online auch an Antibiotika kommen – und das suchen sie sich sogar selbst aus.

Nach eigenen Angaben arbeitet das Unternehmen „mit führenden Apotheken und Gynäkolog:innen“ zusammen. Klickt man auf einen Button am Ende der Website mit entsprechender Beschriftung wird allerdings nur die Website neu geladen. Gleiches gilt für einen kleinen Banner mit der Aufschrift „Spitzenverband digitale Gesundheitsversorgung“. Auf der Website des Verbands wird Prio One unter den Mitgliedern nicht direkt angeführt, sondern ist etwas versteckt unter seinem Mutterkonzern „Healthcare Ventures“ gelistet.

Die „DTC Healthtech Solution“, die im Impressum von Prio One zu finden ist, ist dabei eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Healtcare Ventures mit Sitz in Hamburg. Mit kleinen Anteilen dabei sind neben diversen Foundern aus der Digitalwelt, etwa Gründer des Cannabis-Startups Sanity Group sowie der Medizinprodukte-Vertriebsfirma Axnar. Auch der ehemalige TAD-Geschäftsführer Jure Kaptan sowie der Unternehmensberater Dr. Friedemann Wolf (Boston Consulting) sind an Bord.

Aus dem Pharmabereich kommt ein weiterer großer Investor: Otto Prange ist mit rund 12 Prozent beteiligt, der Unternehmer aus Plettenberg bei Iserlohn hat in den vergangenen Jahren immer wieder Arzneimittelfirmen und -marken zugekauft. Seit 2023 ist der spanische Investor Women Hub beteiligt.

Verbraucherzentrale warnte bereits

In der Vergangenheit wurde bereits vor Prio One gewarnt. Im Jahr 2021, zeitnah nah der Gründung der Online-Plattform, kritisierte die Verbraucherzentrale NRW, dass die Plattform Wiederholungsrezepte für die Antibaby-Pille ohne direkten Arztkontakt anbietet. Dies könne gesundheitliche Risiken mit sich bringen, da ärztliche Untersuchungen fehlen. Zudem verstoße das Angebot gegen deutsches Heilmittelwerberecht und ärztliche Vorgaben.

Sängerin Vanessa Mai, Mitgründerin von Prio One, beendete daraufhin ihre Zusammenarbeit im Juni 2021. Nach eigenen Angaben hat die Online-Plattform, die im Jahr 2021 als Startup gegründet wurde, über 75.000 Kundinnen gewonnen. Von einem internationalen Team an vier Standorten ist die Rede und mehr als 200 Medikamenten, die über Versender wie Apotheek Bad Nieuweschans verschickt werden. Das System erinnert stark an die Plattform Juniper, die allerdings das Thema Abnehmen für sich in den Fokus stellt.

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