„Unkontrollierter Viagra-Supermarkt“

GoSpring-Chefarzt: Online-Rezept statt OTC-Switch

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Berlin -

Professor Dr. Christian Wülfing warnt in einem Interview mit dem Nordkurier vor einer Aufhebung der Rezeptpflicht für Medikamente gegen erektile Dysfunktion: „Was wir nicht brauchen, ist ein unkontrollierter Viagra-Supermarkt.“ Damit ätzt der Chefarzt für Urologie von der Asklepios-Klinik in Hamburg Altona nicht nur gegen die Apotheken. Er verschweigt auch, dass er Leiter des medizinischen Beirats von GoSpring ist – einer Plattform, auf der Verbraucher nur einen Fragebogen ausfüllen müssen, um an die Mittel zu kommen.

„Ich möchte zunächst festhalten, dass Urologen Apotheker toll und wichtig finden“, versichert Wülfing gleich in seinem Eingangsstatement. Aber man müsse die Kompetenzbereiche unterscheiden: Apotheken seien Experten etwa für die Beurteilung von Wechselwirkungen. „Das ist ihre Stärke. Wenn es jedoch um medizinische Themen geht, ist das die Aufgabe der Ärztinnen und Ärzte.“

Erektionsstörungen seien ein sehr komplexes Thema. Einerseits gibt es laut Wülfing jene Patienten, die ihre Potenz optimieren wollen, anderseits gibt es Männer, die wirklich an einer erektilen Dysfunktion leiden. „Das ist ein medizinisches Thema, und die Bewertung solcher Sachverhalte ist klar die Aufgabe der Ärzte.“ Auch als Patient fühle man sich sicherer, wenn diese Aspekte von einem Arzt kompetent abgeprüft würden, egal ob Hausarzt oder Urologe. „Es bedarf medizinischen Sachverstands, um ein Gesamtbild zu erstellen.“

Zugleich räumt er ein, dass es sich um eine sehr schambesetzte Erkrankung handelt. „Viele Patienten wollen weder zum Arzt noch zur Apothekerin gehen. Das ist ein Problem, dem sich auch Apotheken und Generikahersteller stellen müssen.“

Fragebogen statt Beratung

Heute gebe es auch eine hohe Dunkelziffer an Männern, die sich Medikamente über unseriöse Kanäle im Internet beschafften. Das müsse nicht sein: „Es gibt Plattformen, die Telemedizin anbieten und mit digitalen Fragebögen eine medizinische Einschätzung ermöglichen. Solche Angebote können sinnvoll sein.“ Voraussetzung müsse aber immer sein, dass das Rezept zuvor von einem Arzt ausgestellt wurde. Eine ärztliche Untersuchung sei unerlässlich, da es immer um eine sehr differenzierte Entscheidung gehe, zu der medizinischer Sachverstand gehöre, so Wülfing. „Das Wohl und die Sicherheit des Patienten stehen immer an erster Stelle.“

Ein OTC-Switch dagegen berge Risiken. „Ohne ärztliche Begutachtung können schwerwiegende Grunderkrankungen übersehen werden. Die Rezeptpflicht ist ein wichtiger Mechanismus, um die Sicherheit und Gesundheit der Patienten zu gewährleisten.“

„Unkontrollierer Viagra-Supermarkt“

Dagegen könnten telemedizinische Plattformen einen sicheren und gleichzeitig diskreten Zugang bieten. „Diese Angebote verbinden ärztliche Abklärung mit einer niedrigschwelligen und anonymen Beratung.“ Auch die Fachgesellschaft habe das Thema erkannt und dazu einen eigenen Arbeitskreis gegründet. „Dadurch können mehr Patienten erreicht und versorgt werden, ohne dass die medizinische Sicherheit darunter leidet“, wo Wülfing.

„Was wir jetzt nicht brauchen ist ein unkontrollierter Viagra-Supermarkt“, so der Urologe. „Die Rezeptpflicht hilft, den Zugang zu sicheren, kontrollierten Medikamenten zu gewährleisten und den Schwarzmarkt einzudämmen. Ein unregulierter Zugang, sei es durch den Schwarzmarkt oder rezeptfreie Apotheken, gefährdet die Gesundheit der Patienten.“

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