Gefährliche Abhängigkeit

Pro Generika warnt: Was, wenn China den Hahn zudreht?

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Berlin -

Deutschlands Abhängigkeit von China bei lebenswichtigen Arzneimitteln sei gefährlich, warnt Pro Generika. Sie werde von der Politik seit Jahren benannt und wurde zuletzt von den EU-Gesundheitsminister:innen in einem offenen Brief als „Achillesferse unserer Verteidigungsstrategie“ bezeichnet. Welche Konsequenzen sich daraus ergeben, das hat nun ein interdisziplinäres Autor:innenteam untersucht.

Es sei eine stille Gefahr: „China ist sich unserer Abhängigkeiten sehr bewusst. Ein Exportstopp in Krisenzeiten ist keineswegs ausgeschlossen“, warnt Dr. Tim Rühlig, EU Institute for Security Studies. Chinas Aufstieg zum führenden Generika-Produzenten sei kein Zufall. „Er ist das Ergebnis strategischer Industriepolitik. Dank milliardenschwerer Förderprogramme und protektionistischer Wirtschaftspolitik konnte China nicht nur selbst unabhängig werden – sondern die Abhängigkeit anderer Staaten erwirken“, so die Studienautor:innen.

Risiko bei Generika

Spätestens seit der Corona-Pandemie sei deutlich geworden, wie stark Europa bei Arzneimitteln von China abhänge, so Pro Generika. Es zeige sich dabei vor allem auf Wirkstoffebene. „Ein erheblicher Teil stammt aus China, ohne sie ist eine Versorgung nicht möglich.“ Noch größere Risiken würden erkennbar sein, wenn man die Herkunft von Vorstufen und Rohstoffe betrachte – insbesondere bei Generika.

Wie gefährlich wäre, wenn China als Lieferant plötzlich ausfiele? Das zeige die exemplarische Betrachtung von 56 versorgungsrelevanten Wirkstoffen – darunter Schmerzmittel, 27 verschiedene Antibiotika, Diabetes-Medikamente und Biosimilars, macht Pro Generika deutlich. Untersucht wurde, wie stark die Abhängigkeit von Wirkstoffen aus China und damit das Kapazitätsrisiko im Falle eines Ausfalls ist. Bei mehr als der Hälfte der Antibiotika besteht laut der Analyse ein hohes Risiko, wenn China ausfällt.

Abhängigkeit bei Vorprodukten

„Außerdem wurde bei einzelnen Wirkstoffen geprüft, wie sehr wir von Vorprodukten aus China abhängen. Diese nämlich sind essenziell nötig, um Wirkstoffe herzustellen“, so Pro Generika. Das Ergebnis zeigt deutlich: Bei 94 Prozent der Vorprodukte, die es für das Antibiotikum Cefpodoxim braucht, besteht ein hohes Risiko, wenn China ausfällt; bei Amoxicillin sind es 71 Prozent, beim Diabetesmittel Metformin 83 Prozent.

„Schon ein Ausfall chinesischer Wirkstoff-Produzenten könnte große Lücken reißen. Das zeigt sich vor allem bei Antibiotika, aber auch bei Antidiabetika (mittleres bis hohes Risiko)“, stellt Pro Generika klar.

Warum Deutschland so abhängig ist

Zwischen den 1970er und den 2000er Jahren wurden die Preise von Generika in diversen Gesetzen immer weiter reguliert und gesenkt. „Dass diese Entwicklung den Produktionsstandort Deutschland belastet, zeigt sich am Beispiel der Penicilline: Produzierten im Jahr 2002 noch 21 Hersteller Penicilline in Deutschland, waren es 2024 nur noch sechs“, so Pro Generika.

Auch im Bereich der Biopharmazeutika sieht China eine „strategische Schlüsselbranche“, erklärt Pro Generika. „Bis 2035 will es sich vom reinen Produktionsstandort in eine globale Innovationsmacht entwickeln.“ Abwegig sei dieses Ziel nicht: „Ein Zwischenziel ist schon erreicht: Schon heute übertrifft die Zahl chinesischer Biopharma-Patente jene aus Deutschland deutlich.“ Um das zu erreichen setze China auch hier auf gezielte Förderung. „Und das während Deutschland die Produktion biopharmazeutischer Arzneimitteln durch neue Sparmaßnahmen (Gleichsetzung von Biosimilars mit Generika) zusätzlich schwächt“, warnt Pro Generika.

Die China-Pharma-Strategie

Drei zentrale politische Prinzipien der China-Pharma-Strategie sind:

  1. Eigenständigkeit im Inland (Versorgung der eigenen Bevölkerung)
  2. Globale Dominanz bei Wirkstoffen, Vorprodukten und Fertigarzneimitteln
  3. Potenzieller politischer Hebel durch Kontrolle von Exporten und Lieferketten

Pro Generika fasst die Handlungsempfehlungen für Deutschland und Europa folgendermaßen zusammen:

  • Bestehende Produktionsstandorte sichern, nicht nur neu ansiedeln.
  • Import- und Produktionsketten diversifizieren und resilienter gestalten.
  • Innovation stärken — etwa durch gezielte Rahmenbedingungen für Biopharma und Generika, regulatorische Anreize, öffentliches Ausschreibungskriterium „Resilienz“.
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