Glosse

DocMorris-KI: „Ich verstehe Ihre Frage nicht ganz“

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Berlin -

Endlich gibt es bei DocMorris Hilfe in Echtzeit – fast wie in der Apotheke. Nur stehen Kunden hier nicht am HV, sondern tippen ihre Fragen ins Chatfenster von Bot Morris. Der verspricht Unterstützung bei E-Rezept, Bestellungen „und vielen weiteren Themen“. Ist das schon die Beratung der Zukunft?

„Hallo, ich bin Morris – Ihr digitaler Assistent.“ Wer die unscheinbare Sprechblase unten links auf der Website des Versenders anklickt, steht plötzlich am digitalen HV. Fast wie in der Apotheke: Erst ein Blick in die Regale, dann der Schritt nach vorn – und schon begrüßt einen Morris, höflich wie aus dem Lehrbuch. „Gerne unterstütze ich Sie bei der Einlösung von E-Rezepten, Bestellungen, Statusanfragen sowie bei Fragen rund um Web & App und vielen weiteren Themen. Fragen Sie mich einfach!“

Gesagt – getan. Schließlich kann man hier nicht nur tippen, sondern auch die Gesichtsregungen der Neuzeit einsetzen: Smileys. „Hallo Morris! – Zahnpastalächeln – Was sind denn viele weitere Themen?“ Doch Morris wiegelt ab: „Ich bin mir nicht sicher, was Sie mit ‚viele weitere Themen‘ meinen. Könnten Sie Ihre Frage bitte genauer formulieren?“ Irritierend – er scheint also auch nicht zu wissen, zu welchen Themen er Fragen beantworten kann. Also noch einmal: „Welche Themen sind das genau? – nachdenklicher Monokelsmiley“. Morris versteht immer noch Bahnhof: „Ich verstehe Ihre Frage nicht ganz.“ Dritter Versuch: „Zu welchen Themen kannst du denn beraten?“ Diesmal wird’s ehrlich: „Ich kann Ihnen leider keine Beratung zu Themen anbieten.“ Verweis an den Kundenservice.

Hat Morris also schon in seiner Begrüßung geflunkert? „Also kannst du mich gar nicht zu weiteren Themen beraten? – überraschter Smiley“. Die Antwort: „Ich hoffe, ich konnte die Anfrage lösen. Haben Sie weitere Fragen?“ Der Fragensteller ist mutmaßlich in einer Nichtberatungsschleife gefangen – und tatsächlich: Bei weiteren Nachfragen wechselt Morris zwischen Unverständnis und Verweis an die menschliche Kollegen.

Ja zur Beratung, Nein zur Beratung: Morris ist nicht nur unsicher, sondern auch unehrlich.Screenshots: DocMorris

Gut, vielleicht war das zu schwer. Bei klassischen Versenderfragen müsste Morris doch fit sein. „Ich bekomme wirklich für jedes Medikament 10 Euro?“ Zu riskant, findet der Assistent. Er könne die Frage nicht beantworten, „da ich keine pharmazeutische Beratung geben darf. Soll ich ein Ticket für Sie erstellen?“ Ein wenig aufdringlich – und außerdem keine pharmazeutische Frage.

Umformuliert: „Was bedeutet das ‚bis zu 10 Euro Rezept-Bonus‘? – spitzbübischer Smiley –“ Und siehe da: Morris ist ein wahrer Springbrunnen der Informationen, erklärt Fristen, Aktivierung und Auszahlung. Irritierend! „Gerade hast du noch gesagt, das sei pharmazeutische Beratung, hmm!“ – „Entschuldigen Sie bitte, da habe ich mich geirrt.“ Immerhin ist er ehrlich.

Ob man eine Antwort von ChatBot Morris erhält, hängt von der Fragestellung ab.Screenshots: DocMorris

Aller guten Dinge sind drei – nächster Versuch: „Kann ich Rezepte bei Partnerapotheken vor Ort einlösen?“ – Morris fragt zurück: „Möchten Sie, dass ich ein Ticket für den Kundenservice erstelle?“ Nein, natürlich nicht – und eigentlich müsste der Bot das doch auch wissen. Und tatsächlich: Wenig später antwortet er auf die exakt selbe Frage mit einer ausführlichen Antwort, inklusive EU-Regelungen und Papierrezept-Vorgaben. Warum also die Widersprüche? Morris bleibt formvollendet: „Um das Ticket zu erstellen, benötige ich bitte noch Ihre E-Mail-Adresse, Ihre Telefonnummer, Ihre Kundennummer und Ihren vollständigen Namen.“

Freundlich ist er, geduldig auch – nur mit Beratung hat er’s nicht so. Ein Assistent ist das nicht, eher ein höflicher Umleiter zum Kundenservice. Anders als in der Apotheke vor Ort: Da findet sich selbst für die kniffligste Frage noch ein Ausweg.

Immerhin, vom Konzern erfahren wir, dass es die Beta-Version des DocMorris-Assistenten ist. Es handele sich um ein intern entwickeltes LLM-basiertes Multi-Agenten-System mit benutzerdefinierter Retrieval-Augmented Generation (RAG). „Die Beta-Phase ermöglicht Lernen und Iteration vor der vollständigen Einführung und Weiterentwicklung unseres agentenbasierten DocMorris-Assistenten.“ Schon im September soll die zweite Version kommen. Hoffen wir, dass sie schnell lernt.

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