Während Konzernchef Christoph Werner weiter auf PR-Tour ist, hat die tschechische Arzneimittelbehörde tatsächlich die Zulassung für die dm-Apotheke erteilt. Chefapothekerin ist eine junge Pharmazeutin aus der Region.
„dm-med Lékárna“, lautet die offizielle Bezeichnung der Versandapotheke, die im tschechischen Bor ansässig ist. In der Kleinstadt nahe der Grenze zu Bayern befindet sich im Gewerbegebiet CTPark das Logistikzentrum, in dem bereits das komplette Versandgeschäft des Konzerns für Deutschland abgewickelt wird. Wie aus den Anmeldeunterlagen auch hervorgeht, soll der Webshop über die Domain www.dm.de/dm-med erreichbar sein.
Chefapothekerin ist Dr. Dita Rohrbacherová; die junge Tschechin hat in Brno studiert und promoviert und zuletzt in Pilsen im Krankenhaus beziehungsweise beim Zwischenhändler Trevin Pharm gearbeitet. Auch die Großhandelserlaubnis wurde bereits erteilt, verantwortliche Person ist Jana Šplíchalová. Geschäftsführer der Betreiberfirma „dm Gesundheitsservices“ ist Sebastian Bayer, Geschäftsführer Ressort Marketing und Beschaffung bei dm. Verantwortlich für den vorgeschalteten Großhändler „dm Pharmahandel“ ist Wulf Kristian Bauer, in der Konzerngeschäftsführung seit April für das Ressort Logistik zuständig. Viele operative Themen laufen aber über den Tisch des früheren Gehe-Managers Tobias Frömbling.
Noch in diesem Jahr soll der Versand für rezeptfreie Medikamente starten. Ein genaues Datum wurde im Umfeld der Jahreszahlen nicht genannt, im Interview mit der Berliner Morgenpost räumte Werner zuletzt ein, sind, das noch ein paar Genehmigungen erteilt werden müssen. „Wir sind aber zuversichtlich, dass alles klappt.“
Gemeinsam mit einer Unternehmensberatung hatte der Konzern 2500 OTC-Medikamente und 1500 Kosmetikartikel identifiziert, die zum Start ins Sortiment aufgenommen werden sollen. Weil es sich um die umsatzstärksten Marken handelt, wird trotzdem schon ein dreistelliger Millionenumsatz angepeilt. Allerdings waren die Gespräche in den vergangenen Monaten zeitweise eingeschlafen. Nicht alle Firmen sind glücklich mit dem Einstieg des Konzerns. Denn Werner macht gar kein Geheimnis daraus, dass er ihnen mit Eigenmarken irgendwann Konkurrenz machen will: „Wir werden zunächst mit Markenartikeln starten und dann sehen, wie sich das entwickelt. Perspektivisch wäre es denkbar, unter der dm-Marke Mivolis oder auch unter einer neuen dm-Marke günstigere Alternativen anzubieten. Aber das ist Zukunftsmusik.“
Auch wenn die Mitarbeitenden in den Filialen nicht beraten dürften – Werner sieht keinen Nachteil zu bestehenden Online- oder Vor-Ort-Apotheken. „Wenn Sie auf ein Produkt klicken, öffnet sich eine Detailseite mit sehr vielen Informationen – deutlich mehr, als Sie im Regal vor Ort finden würden. Zusätzlich sind Bewegtbildinhalte, Chatbots mit KI-Unterstützung oder auch telemedizinische Angebote möglich.“
Die Abholstationen, an denen die Lieferungen aus Tschechien abgeholt werden können, sollen in möglichst allen dm-Märkten installiert werden. „Es gibt allerdings Standorte, an denen das kaum genutzt wird, etwa in Einkaufszentren. In Fachmarktzentren oder bei freistehenden Märkten funktioniert das Konzept sehr gut“, so Werner im Interview. Außerdem würden derzeit sechs Abholstationen getestet, an denen eine Abholung rund um die Uhr möglich sei. „Der Test läuft stabil – das ist ein gutes Zeichen. Wenn sich das Konzept bewährt, schauen wir, wie wir es weiterentwickeln können. Für den Erfolg spielen mehrere Faktoren eine Rolle.“
Es ist nicht der erste Anlauf von dm, auf diese Weise Apothekenprodukte in die Läden zu holen: Lange unterhielt der Konzern Pick-up-Stellen, erst mit der Europa Apotheek (heute Shop Apotheke), später mit Zur Rose (heute DocMorris). Apothekenexklusive Kosmetikmarken wurden über den Graumarkt beschafft und in den Regalen angeboten. Beides funktionierte nicht und wurde eingestellt.
Heute sieht Werner eine neue Situation: „Die Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt seit Jahren. Das hat mehrere Gründe. Einer davon ist das Nachfolgeproblem: Es gibt immer weniger Menschen, die eine Apotheke übernehmen oder neu eröffnen wollen.“ Da dm nur apothekenpflichtige, aber keine verschreibungspflichtigen Produkte anbieten wolle, werde der Einstieg in den Markt für das Wohlergehen der Apotheken eine untergeordnete Bedeutung haben.
Abermals gibt er sich im Interview als Weltverbesserer, der gegen verkrustete Strukturen kämpft: „Wir bringen uns ein, in der Hoffnung, mit unseren Gesundheitsdienstleistungen einen kleinen Unterschied für ein funktionierendes Gesundheitssystem zu machen. Ziel ist doch, dass Menschen weiterhin gut versorgt sind und nicht denken, das Gesundheitssystem sei am Ende und der Staat inkompetent. Denn dann wird zunehmend die Systemfrage gestellt. Deswegen kann nicht alles so bleiben, wie es ist. Und wenn dann diese Verbände kommen und gegen jede neue Initiative mobilisieren, drängt sich der Verdacht auf, dass sie vielleicht Teil des Problems sind und nicht Teil der Lösung sein wollen.“
Als Beispiel nennt er die Idee von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU), das Impfen in Apotheken auszuweiten. Sofort sei Kritik von den Ärzteverbänden gekommen. „Wieder geht es um Besitzstandswahrung und nicht wirklich um das Wohl der Patienten.“ Ob die Reformen gelingen, könne er nicht voraussagen. „Jedenfalls ist Frau Warken keine Medizinerin oder Apothekerin und geht die Aufgabe mit einem unbefangenen Blick an – das kann helfen, die richtigen Fragen zu stellen und nicht nur in bestehenden Strukturen zu denken. Deswegen glaube ich, dass sie eigentlich gute Voraussetzungen hat.“
Eine andere Idee ist für ihn der Notdienst, der aus seiner Sicht anders organisiert werden könnte. „Zum Beispiel über Krankenhäuser: Diese verfügen bereits über Apothekensortimente und könnten sie so erweitern, dass sie auch Notdienste übernehmen. So müsste man nicht nachsehen, welche Apotheke gerade Notdienst hat.“