Kommentar

Der amerikanische Patient

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Was haben die Europäer über die Attacken gegen US-Präsident Barack Obama gestaunt, als dieser 30 Millionen unversicherten Amerikanern eine Krankenversicherung bringen wollte. Was dürften andererseits die Medco-Manager gestaunt haben, als sie von den deutschen Krankenkassen nicht mit offenen Armen empfangen wurden. Das US-Modell für deutsche Patienten? Bitte nicht.

Mit Hilfe des US-Partners wollte der ehemalige Celesio-Chef Dr. Fritz Oesterle sich eine Stufe in der Handelskette nach oben arbeiten. Weil eine eigene Apothekenkette nach dem EuGH-Urteil in weite Ferne gerückt war, sollte sich Medco Celesio als Vermittler zwischen Krankenkassen und Apotheken positionieren. Die Amerikaner ihrerseits waren überzeugt, es mit ihrem Know-How auch in Europa zu schaffen: „Medikamente nicht mehr mit der Schrotflinte verteilen“, verkündete Medco-CEO David Snow im Handelsblatt.

Nicht mit der Schrotflinte, sondern direkt an die eigenen Versand-, Ketten- und Partnerapotheken, hätte Snow genaugenommen sagen müssen. Denn in den USA warnen immer mehr Kritiker vor der Macht der Pharmacy Benefit Manager (PBM). Längst richtet der Markt nicht alles: Zuweisergeschäfte, aber auch handfeste Betrugsfälle sind Nebenwirkungen des privatwirtschaftlich organisierten Maklermodells.

In Europa war es offensichtlich nicht nur Überheblichkeit, sondern ein tiefes Missverständnis der Gesundheitssysteme, das Medco Celesio jetzt das vorzeitige Aus brachte. Von „kulturellen Schwierigkeiten“ ist zu hören. Und dass der paneuropäische Ansatz zu groß war, dürfte man selbst in New Jersey mittlerweile erkannt haben.

Vier bis fünf Kassen wollte Snow bis Jahresende unter Vertrag haben. Nun muss Medco ohne den deutschen Partner weiter machen - was politisch nicht einfacher werden dürfte. Wie ernst die Ankündigung zu nehmen ist, bleibt ohnehin abzuwarten: Medco soll mit dem Konkurrenten Express Scripts fusioniert werden, und dessen Vorstandschef George Paz will sich erklärtermaßen auf den amerikanischen Markt konzentrieren. Denkbar, dass man bei Medco noch schnell Fakten schaffen will, um in Europa bleiben zu können.

Solches Kalkül zeigt aber einmal mehr: Um die Gesundheitsversorgung geht es erst ganz am Schluss. Insofern war Snows Polemik unzutreffend: Man braucht keine Apotheker um Angst zu verbreiten. Das kann Medco ganz alleine.

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