Wer allzu offensiv mit Preisnachlässen für OTC-Medikamente wirbt, riskiert nach einem Urteil des Landgerichts Frankfurt (LG) jetzt Abmahnungen. Fabian Virkus, Rechtsanwalt bei der Treuhand Hannover in Leipzig, fürchtet zwar keine große Abmahnwelle gegenüber Vor-Ort-Apotheken. Aber besonders preisaktive Kolleginnen und Kollegen und vor allem die Versender sollten aufpasssen, dass sie sich keinen Ärger einfangen, ist er überzeugt.
Virkus hält die Untersagung der Streichpreise im Ergebnis und auch in der Begründung für tragfähig. Zutreffend habe das LG wiedergegeben, dass die Vorgaben der EU-Arzneimittelrichtlinie jedwede Werbung verbieten, die zu einen Arzneimittelfehlgebrauch führen können.
Aus seiner Sicht muss man aber nicht zwingend auf das Verbot unlauterer Handlungen nach § 3 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) abstellen. Denn Apotheken seien schon nach § 17 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) verpflichtet, einem Arzneimittelmissbrauch in geeigneter Weise entgegenzutreten. „Die Vorschrift bezieht sich entgegen dem ersten Eindruck nicht erst auf den konkreten Abgabevorgang; vielmehr ist sie nach ihrem Sinn und Zweck weit zu verstehen und untersagt den Apothekeninhabern alle Handlungen, die zu einem Arzneimittelmissbrauch führen könnten.“
Apotheken sei daher nicht nur gehalten, die Medikamentenabgabe zu verweigern, wenn ein Missbrauch drohe. Vielmehr seien Apothekerinnen und Apothekern alle Handlungen untersagt, die zu einem solchen Missbrauch animieren können. Virkus verweist auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg (OLG), das 2017 einer Versandapotheke untersagt hatte, eine Bestellung von 13 Packungen Paracetamol anzunehmen. „Aus der Pflicht, einem Arzneimittelmissbrauch entgegenzutreten, folgt die Pflicht, nicht zu diesem zu animieren. Mit dieser Rechtsvorschrift sind nach unserer Auffassung daher alle Handlungen unvereinbar, die zu einem unnötigen Konsum anregen und den besonderen Charakter von Medikamenten verschleiern.“
Die Werbung mit Preisersparnissen und die Animation zum Vorratskauf untergräbt nach seiner Auffassung zudem die in § 20 ApBetrO normierte Beratungspflicht. „Auch die Beratung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel hat grundsätzlich in einem engen zeitlichen Zusammenhang zu den Krankheitssymptomen und zur Einnahme zu erfolgen. Wer Verbraucher dazu animiert, sondern auf Vorrat einzukaufen, setzt sie dem Risiko des Fehlgebrauchs aus, weil die Beratung entweder nicht oder bei Dr. Google nachgeholt wird.“
Virkus empfiehlt Apothekerinnen und Apothekern, bis auf Weiteres in der Preiswerbung auf die Hervorhebung von Ersparnissen zu verzichten. Das Urteil richte sich zwar an eine niederländische Versandapotheke, allerdings wende das Gericht eine Generalklausel des UWG an. „Was für Apo.com gilt, gilt damit auch für alle Vor-Ort-Apotheken. Dabei ist es gleichgültig, ob die Apotheke in einem Webshop oder einem Flyer wirbt. Preisnachlässe sind damit an sich weiterhin zulässig, Apotheken dürfen diese aber nicht in Form eines bestimmten Prozentsatzes oder der Angabe des ersparten Preises hervorheben. Dabei ist es unerheblich, ob man nun die eigenen Preise oder Vergleichspreise oder eine unverbindliche Preisempfehlung heranzieht.“
Problematisch sei dieses Urteil deshalb nicht für Vor-Ort-Apotheken mit vorhandener Stammkundschaft, sondern für diejenigen, die aktiv durch Werbung Kunden auf sich ziehen wollen. Und: „Der dm-Versandapotheke wird der Markteintritt damit erheblich erschwert, denn diese muss ja primär mit den bereits vorhandenen niederländischen Versandapotheken um die Marktanteile im Versandhandel streiten.“
Die Gefahr einer großen Abmahnwelle sehe er nicht. „Allerdings sehe ich das Risiko, dass einzelne Versender im In- und Ausland von bestimmten Abmahnvereinen gezielt herausgepikt und auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Deren Bemühungen, auf dem deutschen Arzneimittelmarkt weiter Fuß zu fassen, werden damit erheblich eingeschränkt. Insgesamt ist das ein schwarzer Tag für die ausländischen Versender und alle, die einer werden wollen.“
Wenig überzeugend findet er dagegen, dass das Anbieten von mehreren Packungen Paracetamol in einem Bundle für zulässig erklärt wurde. „Das halte ich für falsch und rechtlich nicht nachvollziehbar. Denn aus meiner Sicht ist die Gefahr eines Fehl- oder Missbrauchs von OTC-Produkten bei der Werbung mit einem Gesamtpaket von drei Paracetamol-Packungen zu einem gesenkten Einheitspreis noch gravierender als bei Streichpreisen.“
Bei Streichpreisen könnten sich Verbraucher immer noch dafür entscheiden, nur einzelne Packungen zu bestellen. „Bei einem OTC-Paket wird ihnen diese Entscheidung genommen und zugleich der Eindruck vermittelt, ein derart großer Vorrat beziehungsweise die Einnahme dieser Mengen sei bedenkenlos.“ Paracetamol sei nur in bestimmten Packungsgrößen zugelassen, weil der Patient nach dem Aufbrauchen im konkreten Zusammenhang einer Erkrankung entweder einen Arzt oder einen Apotheker aufsuchen solle. „Hierdurch wird der Patient mit der Frage konfrontiert, warum seine Erkrankung noch nicht abgeklungen ist und eine tiefergehende Abklärung oder Weiterbehandlung unter ärztlicher oder pharmazeutischer Aufsicht angebracht wäre.“