Schweden

Apotheker zweifeln an Apotheken

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Berlin -

Immer mehr Apothekenmitarbeiter in Schweden zweifeln an der Patientensicherheit in ihren eigenen Apotheken. Das zeigt eine Studie an der Universitäten Uppsala und Kopenhagen. Demnach hat sich seit der Liberalisierung des Apothekenmarkts im Jahr 2009 der Anteil der Apotheker, die Sicherheitsbedenken haben, stark erhöht. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die wichtige Frage der Patientensicherheit bei der Reform vernachlässigt wurde“, sagt Sofia Kälvemark Sporrong, Junior-Professorin an der Universität Kopenhagen und Erstautorin der Studie.

Im Juli 2009 wurde der bis dahin staatliche schwedische Apothekenmarkt komplett liberalisiert. Für den Besitz oder die Gründung einer Apotheke gibt es seitdem wenige Beschränkungen. Die Zahl der Betriebsstätten stieg in der Folge von 925 auf rund 1350. Die neuen Filialen siedelten sich allerdings überwiegend in Ballungsräumen an.

Laut Kälvemark Sporrong hat solch eine gravierende Reorganisation eines gesamten Sektors im Gesundheitswesen offensichtlich Auswirkungen auf die Mitarbeiter und damit auf die Patientensicherheit, „unabhängig davon, ob dies intendiert ist oder nicht“. Demnach führten die Veränderungen häufig zu einer Mehrbelastung für die Angestellten – und damit zu weniger Zeit für Beratung. 2013 gaben 72 Prozent der Befragten an, die Arbeitsbelastung habe sich seit 2009 erhöht.

Der Übergang vom Staatsmonopol zur freien Wirtschaft habe den hohen Stellenwert von Qualität und Sicherheit in schwedischen Apotheken zugunsten der Verfügbarkeit relativiert. Zudem fokussierten sich die Betreiber auf Profitabilität statt auf Patientensicherheit, so die Autoren. Dementsprechend glauben Angestellte laut den jüngeren Umfragen, dass der Profit über der Pharmazie steht: 45 Prozent gaben an, dass sie zu wenig Zeit für Beratung und Abgabe hätten, unter anderem wegen der Forderung des Managements, Zusatzprodukte zu verkaufen und sich um Verkaufskampagnen zu kümmern.

Dadurch hätten sich die Voraussetzungen verschlechtert, Wechselwirkungen zu identifizieren und bei Bedarf zu intervenieren oder auch Abgabefehler zu vermeiden. 55 Prozent gaben an, die Bedingungen zur sicheren Abgabe von Medikamenten hätten sich verschlechtert. 28 Prozent schätzten die Situation unverändert ein und 11 Prozent gaben eine gefühlte Verbesserung an.

Obwohl die überwiegende Mehrheit der Angestellten keine Sicherheitsbedenken hat, hat sich laut Untersuchung die Zahl derjenigen, die besorgt sind, mehr als verdreifacht: 2008 widersprachen nur 1,8 Prozent der Befragten der Aussage: „Ich würde mich als Kunde in der Apotheke sicher fühlen.“ Der Anteil erhöhte sich 2012 auf 11,6 Prozent, 2013 lag er zwar niedriger, aber immer noch bei 6,3 Prozent. Der Aussage „Abgabefehler werden in dieser Apotheke korrekt gehandhabt“ widersprachen 2008 1,5 Prozent, 2012 waren es 8,3 Prozent und 2013 6,1 Prozent.

Die Liberalisierung brachte laut den Autoren für die Angestellten in den Apotheken grundlegende Veränderungen: Viele arbeiteten nun in neuen Organisationen mit neuen Zielen und neuem Management. Diese Veränderungen hätten anfangs unnötigen Stress ausgelöst: „Eine umfassende Folgenabschätzung hätte Probleme und Schwierigkeiten voraussagen können“, so die Studienautoren. „Es wurde keine Risiko-Analyse durchgeführt, mögliche Auswirkungen wurden nicht reflektiert.“ Fragen der Qualität und der Patientensicherheit seien im politischen Prozess vor der Liberalisierung kein Schwerpunkt gewesen. „Bei einer solch umfassenden und raschen Umstellung im Gesundheitswesen sollte es aber Bedenken über die Sicherheit geben.“ Die Forscher empfehlen, die möglichen Effekte von Gesundheitsreformen vor Einführung künftig zu untersuchen.

Die tatsächliche Patientensicherheit zu untersuchen, sei schwierig, räumen die Autoren ein. Es gebe nur wenige Möglichkeiten für Vergleiche: Vor der Reform habe es eine landesweite Fehlerdatenbank für Apotheken gegeben, jetzt betreibe jeder Besitzer sein eigenes System. Es gebe allerdings andere Studien, die ebenfalls ein erhöhtes Stresslevel bei den Mitarbeitern zeigten, so Kälvemark Sporrong.

Die aktuelle Studie verglich drei repräsentative Umfragen von 2008, 2012 und 2013: In der Studie von 2008 wurden alle 7250 Apothekenangestellten in Schweden zur Qualität von Sicherheits- und Teamarbeit befragt, die Rücklaufquote betrug 61 Prozent, 70 Prozent der Antwortenden waren Apotheker und 26 Prozent Apothekenhelfer. 2012 und 2013 wurden insgesamt rund 4000 per Zufall ausgewählte Apothekenangestellte bezüglich der Sicherheit nach 2009 befragt. Hier antworteten 63 beziehungsweise 60 Prozent, 70 Prozent davon Apotheker und 27 Prozent Apothekenhelfer.

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