Großbritannien, das klingt nach ungebremsten Liberalismus auf dem Apothekenmarkt. Dass die vermeintlichen Freiheiten nicht für jedermann gelten, zeigt ein aktuelles Vertragsverletzungsverfahren gegen das Königreich: Weil Apotheker aus dem EU-Ausland bislang nur in etablierten Apotheken verantwortliche Positionen besetzen durften, schaltete sich die EU-Kommission ein.
Seit den 1980er-Jahren wollten sich die Briten vor einem unkontrollierbaren Zustrom von Pharmazeuten vom Festland schützen. Zugewanderten ist es bis heute nicht gestattet, in Apotheken, die jünger als drei Jahre sind, die Rolle des leitenden Apothekers zu übernehmen. Weil nun aber Brüssel interveniert hat und weil es zunehmend an Fachkräften mangelt, soll diese Regelung abgeschafft werden.
Die Klausel für fremde Apotheker stamme aus Zeiten, in denen die meisten Länder auf dem „Kontinent“ noch streng regulierte Apothekenmärkte hatten, rechtfertigte sich das britische Gesundheitsministerium jetzt gegenüber dem Parlament, das die erforderlich gewordene Gesetzesänderung beschließen muss. Wegen der Fremdbesitzverbote in anderen Ländern hätten britische Apothekenbesitzer nicht die gleichen Möglichkeiten gehabt, sich außerhalb des Königreichs zu etablieren, so die Begründung.
Die hohen Zuwanderungsraten seit Inkrafttreten des EU-Freizügigkeitsabkommens bestätigten die Attraktivität des britischen Marktes, erklärte ein Sprecher auf Nachfrage: Seit 2006 ausländische Diplome anerkannt würden, seien mehr als 2700 Pharmazeuten eingewandert. Etwa 5 Prozent aller in Großbritannien registrierten Apotheker seien mittlerweile Ausländer.
Einer von ihnen, ein in England ansässiger Apotheker aus Frankreich, erwirkte im vergangenen Jahr eine Petition im EU-Parlament. Er hatte sich mehrmals als Apothekenleiter beworben und fühlte sich diskriminiert. Das Parlament gab dem Franzosen Recht und forderte die EU-Kommission auf, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten.
In seinem Schreiben an das Westminster-Parlament empfahl das Gesundheitsministerium daher, die bestehende Regel aufzuheben. Die Begründung: „Einige Länder im Europäischen Wirtschaftsgebiet (EEA) wie beispielsweise Norwegen oder die Niederlande haben inzwischen ihre Regulierungen zum Apothekenbesitz gelockert. Dadurch hat sich die Position des britischen Apothekenbesitzers verbessert, auch sie können jetzt nach Europa expandieren.“
Auch wegen der Lage auf dem Arbeitsmarkt ist es unwahrscheinlich, dass London gegen die Schreiben aus Brüssel Widerstand leistet: Seit Supermarktapotheken nicht mehr der Bedarfsplanung unterliegen, ist die Apothekenzahl um 8 Prozent angestiegen. In den rund 1600 neuen Apotheken gibt es nun Bedarf an verantwortlichen Apothekern - ohne sie dürfen in Apotheken nämlich keine verschreibungspflichtigen Medikamente abgegeben werden.
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