Noch vor Ende der Amtszeit des bisherigen Gesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) musste sich das Bundesgesundheitsministerium (BMG) zu einer pikanten Auffälligkeit bei der Auftragsvergabe rund um die elektronische Patientenakte (ePA) äußern. So sah sich das BMG mit der Frage konfrontiert, warum ausgerechnet das österreichische Unternehmen Rise mit der digitalen Umsetzung betraut wurde.
Am 29. April ließ Lauterbach noch schnell die ePA bundesweit ausrollen, bevor das Ende seiner Amtszeit den Start womöglich noch verzögert hätte. Rise ist hier maßgeblich beteiligt gewesen. Hinter der Firma stehe der Wiener Geschäftsmann und IT-Professor Thomas Grechenig, heißt es in der Fragestellung. „Dieser wiederum war langjähriger Projektpartner des von der deutschen Justiz gesuchten Ex-Wirecard-Managers Jan Marsalek.“
Der österreichische Inlandsgeheimdienst habe daher bereits die Zusammenarbeit mit Rise beendet, da man dessen Nähe zum Marsalek-Netzwerk nicht vertreten konnte. Den Fragesteller hätte daher interessiert, „wieso das BMG nicht dem österreichischen Beispiel gefolgt ist, dies gerade auch in einem so hochsensiblen Bereich wie der ePA“.
Rise habe keinesfalls die ePA „vollständig digital umgesetzt“, stellte das BMG erst einmal klar. „Richtig ist: Rise ist an der Entwicklung der elektronischen Patientenakte nicht beteiligt gewesen. Das war Aufgabe der Gematik, die dafür die Spezifikation entwickelt hat. Rise ist aber Teil eines Konsortiums, was im Rahmen einer Ausschreibung von einigen Krankenkassen den Zuschlag zur Umsetzung der ePA gemäß der Spezifikation der Gematik erhalten hat.“
Bereitgestellt werde die ePA hingegen von den Krankenkassen, die wiederum Auftragsverarbeiter beauftragen dürften. „Diese Entscheidung obliegt allein der jeweiligen Krankenkasse.“
Bereits vor einem Jahr wurde dies im Rahmen einer Kleinen Anfrage von BSW-Abgeordneten gefragt, das BMG wiederholte daher seine Antwort: „Die Sicherheit der mit Beteiligung von Herr Prof. G. und seiner Mitarbeitenden entwickelten Softwareprodukte für Projekte der Telematikinfrastruktur war beziehungsweise ist zu jeder Zeit transparent für die Gematik und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik nachvollziehbar.“ Die Komponente durchlaufen entsprechende Sicherheitsüberprüfungen oder -zertifizierungen, so das BMG weiter, diese stünden zum Teil quelloffen zur Verfügung.
Bereits Ende 2022 habe die Gematik anlässlich der Wirecard-Medienberichte die Geschäftsbeziehungen hinterfragt. „Dabei stellte sich heraus, dass das Unternehmen mit Wirecard in der Vergangenheit ausschließlich im Bereich Payment-Software zusammengearbeitet hatte. Diese Geschäftsbeziehung endete bereits im Jahr 2017.“ Für die Gematik ergebe sich damit kein Anlass, an der Vertrauenswürdigkeit zu zweifeln und in die Zusammenarbeit mit Rise zu beenden, so die Aussage aus 2024.
Erwähnenswert in diesem Zusammenhang scheint aber eine Personalie: Björn Kalweit, zuvor Chief Operating Officer (COO) bei der Gematik, kündigte Mitte 2024 an, die Gematik nach mehr als zehn Jahren zu verlassen. Er wechselte zum IT-Dienstleister, der viele Aufträge der Gematik im Bereich der Telematikinfrastruktur (TI) ausführt und zu dieser Zeit gerade eine Verlängerung erhalten hat: Bei Rise ist er nun als Senior Manager tätig.
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