Kommentar

ePA: Viel Lärm um (erst mal) nichts

, , Uhr
Berlin -

Lange hatte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) darauf hingearbeitet, jetzt ging sie endlich an den Start: die elektronische Patientenakte (ePA). Diese soll nun nicht mehr nur für die bisher wenigen aktiv Interessierten zur Verfügung stehen, sondern per Opt-out für alle in der Gesetzlichen Krankenversicherung – auch für Kinder und Pflegebedürftige. Trotz anhaltender Sicherheitsbedenken und noch längst nicht geklärter Praxistauglichkeit. Immerhin wurde der Start pünktlich am 15. Januar in den Modellregionen angepfiffen – zu sehen gab es noch nicht viel. Ein Kommentar von Nadine Tröbitscher und Laura Schulz.

Der Start der ePA erinnert an den Start des E-Rezeptes – es muss alles ganz schnell gehen und Bedenken werden weggeredet. Statt anhaltende Sicherheitsbedenken aus dem Weg zu räumen, hat für Lauterbach die Dringlichkeit, den Rückstand bei der Digitalisierung aufzuholen, Priorität.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) rechnet mit 70 Millionen Akten im Zuge des Mammutprojekts und spricht vom „Beginn eines neuen Zeitalters der Digitalisierung des deutschen Gesundheitssystems.“ Mit der ePA starte „das größte Digitalisierungsprojekt“ in Deutschlands Geschichte. Dass das Projekt ambitioniert ist, ist unbestritten, aber die verschiedensten Stakeholder arbeiten auch schon seit mehr als 20 Jahren daran.

Mit viel Brimborium hatte das BMG den großen Tag, den 15. Januar, der seit vielen Monaten der gesetzte Starttermin für die ePA ist, vorbereitet und aufs Gaspedal gedrückt. Die Kassen hatten den Fuß eher auf der Bremse, schließlich sind sie für die Aufklärung ihrer Versicherten zuständig. Im November des vergangenen Jahres wurde zwar per Brief über den Start der ePA und die Opt-out-Funktion informiert, doch in welchem Umfang und in welcher Qualität ist nach wie vor fraglich.

Kein Wunder – worüber soll auch informiert werden, schließlich ist die ePA der Versicherten zum Start leer oder existiert noch gar nicht. Denn die beiden Hersteller für die Aktensysteme haben erst am 13. und im Laufe des 15. Januars (!) ihre Zulassung erhalten. Somit können die Kassen erst jetzt mit der Bereitstellung der Akten für ihre Versicherten starten. Der Start der ePA fand ohne Protagonisten statt: Patient:innen mit zugänglicher Akte gibt es kaum und die umständliche Freischaltung birgt die nächste Hürde.

Und die wenigen, die in den Modellregionen zum Starttag einen Blick in ihre Akte geworfen haben, wurden enttäuscht. Denn: Wie Sie sehen, sehen Sie nichts. Statt Informationen über Medikationen und Arztbriefe war die Akte leer. Und selbst wenn Informationen enthalten gewesen wären, hätten zumindest Apotheken keine Ergänzungen vornehmen können, denn die Funktion soll erst im Sommer bereitstehen – frühestens und nach dem holprigen Start wohl auch nur mit Daumen drücken. Da stellt sich die Frage, wieso sollen Apotheken in Modellregionen den ePA-Start begleiten, wenn sie nicht einmal Arzneimittel in den Medikationsplan einfügen und so die ePA befüllen dürfen. Aber auch das wäre noch nicht möglich, denn auch in den Modellregionen hätten längst nicht alle Leistungserbringer den Einblick ins „neue Zeitalter“ geben können.

Es gibt also noch viel zu tun, bis zum flächendeckenden Rollout im Februar. Dass der ein Erfolg wird, ist selbstredend, denn wo nichts steht, kann nichts falsch sein. Aber trotzdem rudert Lauterbach dann doch im Zeitplan zurück und kündigt einen verspäteten Rollout im März oder April an. Ob dann ab dem 15. Juli die Erweiterung auf den elektronischen Medikationsplan (eMP) erfolgt, bei dem dann auch Apotheken verstärkt in die Arbeit mit der ePA integriert werden sollen, bleibt offen. Denn spätestens jetzt, muss auch dem BMG klar sein, dass es nicht machbar sein wird, diese Termine zu halten.

Dr. Susanne Ozegowski, Leiterin der Abteilung für Digitalisierung und Innovation im BMG, machte zuletzt im November noch einmal deutlich, dass die Praxistauglichkeit der ePA vorgehe und man nur mit einem funktionierenden Produkt in die Breite gehen wolle. Die Umsetzung erfolge schrittweise, zu hohe Erwartungen an die ePA seien in den ersten Wochen und Monaten absolut nicht zielführend. Wird die ePA noch zum Rohrkrepierer?

Profitieren können die jetzt jungen Menschen von der ePA – irgendwann. Und das ist super. Das aktuelle Trara des BMG hat für die meisten Patient:innen aber vorerst wenig Auswirkungen – außer dass sie von der Kasse uninformiert nun viele Praxen und Apotheken nach dieser ePA fragen werden.

Guter Journalismus ist unbezahlbar.
Jetzt bei APOTHEKE ADHOC plus anmelden, für 0 Euro.
Melden Sie sich kostenfrei an und
lesen Sie weiter.
Bitte geben Sie eine gültige E-Mail-Adresse ein.
Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Lesen Sie auch
Neuere Artikel zum Thema
Mehr aus Ressort
Rechtlicher Rahmen für Weitergabe an Dritte
ePA-Daten: Zu Marktforschungszwecken verboten
eMP kommt erst 2026
ePA für alle kommt später