„Die Diskussion haben immer wir Apotheken“

E-Rezept: Nichts als Ärger mit Macrogol

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Berlin -

Ab dem 1. Januar 2024 soll das E-Rezept verpflichtend sein – bis auf wenige Ausnahmen. Dass die Prozedur des Einlesens und Abrechnens für Apotheken noch nicht ausgereift ist, zeigt dieser Fall: In einer Apotheke in Nordrhein-Westfalen wurde ein E-Rezept mit einer Verordnung über Macrogol vorgelegt: „Ich konnte der Patientin vorerst nicht helfen. Es wurde mir eine Fehlermeldung angezeigt, die besagte, dass Medizinprodukte derzeit beim E-Rezept nicht zugelassen sind“, ärgerte sich die Apothekerin. Tatsächlich droht hier ab dem Jahreswechsel ein Versorgungschaos.

Die ältere Patientin wollte eigentlich nur wie gewohnt ihre Verschreibung über Macrogol dura 100 Stück in der Apotheke einlösen. Doch diesmal wurde ihr kein Papierrezept ausgestellt: „Die verschreibende Arztpraxis hatte die Technik bereits umgestellt und der Kundin ein E-Rezept ausgehändigt“, so die Inhaberin. Die Krux: „Bisher war die Verordnung auf Papierrezept kein Problem und normal abrechenbar über die zuständige Krankenkasse. Diesmal bekam ich jedoch eine Fehlermeldung, dass Medizinprodukte für die Verordnung auf E-Rezept noch nicht zugelassen sind“, so die Apothekerin.

Tatsächlich sollen Medizinprodukte erst ab Juli 2027 auf E-Rezept verordnet werden können – wie die Praxis, die nur noch E-Rezepte ausstellen will, damit umgehen wird, steht noch in den Sternen. Macrogol ist allerdings je nach Anbieter entweder als Medizinprodukt oder als Arzneimittel eingestuft, sodass ab Januar in den Apotheken chaotische Zustände drohen: Jedes Mal, wenn die Praxis ein Medizinprodukt verordnet, muss dann ein neues Rezept angefordert werden. Und weil der Austausch über KIM erst ab April flächendeckend funktionieren soll, könnte es eine regelrechte Flut an Faxen geben. Immerhin werden von Macrogol laut Arzneiverordnungsreport pro Jahr knapp 60 Millionen Tagestherapiedosen verordnet. Vom Erklärungsbedarf ganz abgesehen.

Auch im Fall der älteren Damen musste die Apothekerin die Hintergründe zunächst verständlich machen: „Die Diskussion haben leider immer wir in den Apotheken. Die Dame hätte selbstverständlich gern das Macrogol von der Firma bekommen, die auch aufgeschrieben war. Nun musste ich ihr näher bringen, dass ich nicht nur eine andere Firma, sondern auch noch zwei Packungen mit jeweils 50 Stück bestellen musste, weil nur diese auch für uns abrechenbar sind“, so die Apothekerin.

Nur bestimmte Firmen abrechenbar

Abrechenbar auf E-Rezept ist beispielsweise das Macrogol von 1A-Pharma: „Aber hier haben wir schon das nächste Problem. Es gibt eine Packung mit 100 Beuteln, aber das ist wiederum keine therapiegerechte Packungsgröße (KTP) und somit auch nicht erstattungsfähig.“

Folglich mussten die zwei kleinen Packungen bestellt werden: „Die Patientin hatte Glück, dass sie von der Zuzahlung befreit ist, ansonsten hätte sie auch noch die doppelte Gebühr gehabt“, so die Inhaberin, „denn jede Packung wird bei der Rezeptbelieferung einzeln abgerechnet.“

Auch der Mehraufwand der Beschaffung eines neuen Rezeptes blieb an der Apotheke hängen: „Ich habe meine Patientin nicht zur Praxis zurückgeschickt, denn diese ist nicht in der Nähe“, so die Apothekerin, die selbst zum Telefon griff. „Erst hieß es seitens der Praxis, man habe schon mehrfach die Firma Dura verschrieben und keine Probleme gehabt. Nach Klärung des Sachverhaltes haben sie dann doch zwei kleine Packungen von 1A-Pharma aufgeschrieben.“

„E-Rezept ist nicht zu Ende gedacht“

Insgesamt sehe sie die Situation zum E-Rezept mit geteilter Meinung: „Es ist einerseits für die Kunden und Arztpraxen eine Erleichterung in Bezug auf die Besuchsfrequenz. Wenn die Verordnungen auf die eGK übertragen werden und die Menschen folglich nicht mehr so häufig in die Praxen müssen, sehe ich darin durchaus Vorteile. Auf der anderen Seite hakt es vor allem in der Apotheke“, so die Inhaberin. Es dauere einfach alles viel länger: „Es geht unheimlich langsam voran, wenn man E-Rezepte einliest. Wenn ich mir vorstelle, es kommen viele Leute und alle haben ein E-Rezept, dann wird die Schlange immer länger. Dann fragen sich sicher viele Kunden, was so ewig bei der Bearbeitung dauert“, so die Inhaberin.

Zudem seien den Apothekenteams in manchen Situationen auch die Hände gebunden: „Ich hatte erst kürzlich den Fall, dass ein Medikament nicht lieferbar war, der Kunde aber warten wollte. Als es endlich verfügbar war, musste ein neues E-Rezept her, weil es schlicht abgelaufen war“, so die Apothekerin.

Auch im Botendienst und bei Abholungen mache die digitale Verordnung Probleme: „Die Chargenübermittlung bei sogenannten Bringern ist aufwendig. Beim Ausbuchen des Medikaments muss ich die Charge raussuchen und nachtragen. Wenn Kunden ihre Medikamente abholen und es wurde nicht extra nochmal ausgescannt, dann müssen wir hinterhertelefonieren und die Charge erfragen“, so die Inhaberin.

Es sei alles noch sehr mühsam und zeitaufwendig: „Eigentlich soll die Digitalisierung die Arbeit erleichtern und schneller machen, aber im Moment bin ich einfach schneller, wenn ich händisch die PZN eingebe und Papierrezepte bearbeite.“

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