Inhaber verärgert über Ausfälle

TI-Störung: „Mehr als 250.000 zusätzliche Botenfahrten“

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Berlin -

In den vergangenen Wochen war die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln vermehrt nicht ordnungsgemäß möglich. Der Grund: Die elektronische IT-Anwendung der Gematik war gestört. „Patienten kommen in die Apotheke und können ihre Medikamente nicht mitnehmen“, ärgern sich Klaus und Marvin Mellis, Inhaber (Klaus) und Apotheker (Marvin) der Mauritius-Apotheke in Krefeld. „Der so ausgelöste Mehraufwand für Ärzte und Apotheken sowie der dadurch ausgelöste Vermögensschaden muss eigentlich vom Betreiber des Systems ausgeglichen werden“, erklären beide. „Auch an die 250.000 bundesweit zusätzlich anfallenden Botendienste und alle wiederholten Fahrten der Kunden zur Apotheke denkt niemand.“

Die Probleme würden bereits in der Arztpraxis beginnen, weil es bei Verordnungen hakt, so Mellis Senior. Nach dem zweiten größeren Ausfall im August sagt auch sein Sohn: „Ich habe die Nase gestrichen voll. Wir mussten unsere Patienten mehrfach wegschicken, weil bei der Gematik ein Fehler nicht behoben werden konnte. Erst beim letzten Vorfall dauerte die Reparatur fast den ganzen Tag.“

Der junge Apotheker verstehe nicht, warum die Unzuverlässigkeit der zu 51 Prozent staatlich gesteuerten IT unbeachtet bleibe. „Für die Apotheke vor Ort bedeutet der Ausfall in erster Linie, dass Patienten ohne die verschriebenen Arzneimittel nach Hause geschickt werden müssen.“ Mellis Senior betont: „Nicht nur Apotheken sind von solchen Betriebsstörungen betroffen. Die Ärzte müssen für Akutversorgungen Papierrezepte ausstellen – und bereits erledigte elektronische Verordnungen prüfen und eventuell neu ausstellen – Mehraufwand, der bei funktionierendem System nicht anfallen würde.“

Vor allem vor dem Wochenende kämen viele Patienten in die zwar geöffneten Apotheken, aber: „Ihr Rezept können sie erst bei einem zweiten Besuch einlösen“, erklärt der junge Apotheker. „Und wir bekommen den Ärger der Menschen ab, die natürlich auch sauer sind, weil das hochgelobte E-Rezept am Ende unzuverlässiger funktioniert als die Deutsche Bahn.“ Der unverschuldet auftretende Image-Verlust für die Apotheke ist laut den beiden beträchtlich.

Hotline nicht besetzt

Ein weiteres Problem: „Eine telefonische Nachfrage bei der Gematik ist meist nicht möglich, weil deren technische Hotline nicht besetzt ist. Zumindest geht niemand dran“, berichten beide. „Das scheint symptomatisch für die Ausfallzeiten zu sein – dort ist schlicht niemand erreichbar, der helfen könnte.“ Dabei betone die Gematik, die Ausfälle lägen unter 1 Prozent der Betriebszeit.

„Wir haben das mal hochgerechnet“, so der Inhaber. „Wenn von 400 Millionen Rezepte im Jahr einen Tag lang die Einlösung in den Apotheken nicht möglich ist, dann sind davon mehr als eine Million Rezepte betroffen.“ Der so ausgelöste Mehraufwand für Ärzte und Apotheken sowie der dadurch ausgelöste Vermögensschaden müsse eigentlich vom Betreiber des Systems ausgeglichen werden, finden beide. „An die bestimmt 250.000 zusätzlich anfallenden Botendienste und alle wiederholten Fahrten der Kunden zur Apotheke denkt niemand – von Zeitverlust und der Umweltproblematik ganz zu schweigen.“

100 Millionen Rezepte unbeliefert

Bei einem durchschnittlichen Rezeptwert von 100 Euro entspricht ein Tagesausfall laut Mellis rund 100 Millionen Euro nicht bedienter Rezepte. „Für jede Apotheke stellt dies eine durchschnittliche Umsatzverschiebung von gut 5700 Euro dar. Und keiner weiß, ob die einmal enttäuschten Patienten in diese Apotheke zurückkommen.“

Dem Inhaber zufolge lassen sich die Folgen für die Versorgung gar nicht abschätzen: „Beginnt eine Antibiotika-Therapie erst Stunden später, kann das für den Infizierten schon eine deutliche Verschlimmerung zur Folge haben“, erläutert der Inhaber. „Aber auch wenn Patienten an Schmerzen leiden, ihre verordneten Schmerzmittel erst Stunden später bekommen und dafür erneut in die Apotheke müssen, ist das für die Versorgung ein Armutszeugnis.“

Um seinem Ärger Luft zu machen, wandte sich Mellis mit einem Schreiben andie Abda sowie an die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR).

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