Ärztin nicht an TI angebunden

Praxis ohne E-Rezepte: „Wenn man mich zwingt, gehe ich in Rente“

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Berlin -

Seit 25 Jahren ist Dr. Ilka Enger niedergelassen. Ihre eigene Praxis bezeichnet die 61-Jährige als topmodern und vernetzt. Die Prozesse sind optimiert und es wird digital gearbeitet. Doch eine Sache verweigert die Internistin: E-Rezepte. „Ich bin nicht an die Telematikinfrastruktur angeschlossen“, sagt sie. Klagen gebe es deshalb keine – wichtig sei nur, genug Blanko-Rezepte auf Lager zu haben. In den umliegenden Apotheken stößt ihre Entscheidung auf Verständnis.

Enger betreibt ihre Praxis in Neutraubling in der Oberpfalz. Sie versorgt auch viele Patientinnen und Patienten im Bereich Diabetologie. Rund 800 Personen betreut sie pro Quartal, darunter seien viele Chronikerinnen und Chroniker. „Im Schnitt sind es denke ich vier bis fünf Rezepte pro Patient pro Quartal“, schätzt sie. Die Verordnungen werden bei ihr noch ausgedruckt, auf Muster 16.

Die Ärztin hat sich vor Jahren gegen eine Anbindung an die TI entschieden. „Ich habe Bedenken, dass es bezogen auf die Sicherheit und Ausfallsicherheit meine Praxis eher belastet, als dass es ihr gut tut.“ Deshalb würden auch keine elektronischen Verordnungen ausgestellt oder elektronische Patientenakten (ePA) bearbeitet, eine logische Konsequenz. „Ich habe kein Problem mit Muster 16.“

Patienten sind dankbar

Bei den Patientinnen und Patienten kommen die ausgedruckten Papierrezepte gut an. „Sie sind sehr dankbar, weil sie häufiger die Erfahrung machen, dass es Probleme mit der TI gibt.“ Nur wenige fragten, warum die Rezepte nicht auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) sei. Zudem gebe es dadurch eine besser Kontrolle, da auch die Betroffenen die Arzneimittel auf der Verordnung lesen könnten.

Auch in den umliegenden Apotheken kommt Engers TI-Blockade gut an. „Es gibt Apotheken, die das feiern. Auch wenn es sich mit der Störungsanfälligkeit bei E-Rezept gebessert hat, kommt es vor, dass mal für zwei oder drei Stunden nichts geht.“ Ein Kollege, der ebenfalls keine E-Rezepte abgebe, habe regelmäßig den Störungsmonitor der Gematik im Blick. „Ich glaube der Gematik auch nicht, dass die Ausfälle manchmal nur kurz sind. Wenn ich mit Apotheken spreche, dauert es oft Stunden.“

Apothekerin versteht E-Rezept-Verweigerung

Sophia Fetzer betreibt in Neutraubling zwei Apotheken. Der Inhaberin macht die parallele Bearbeitung von Papier- und E-Rezepten nichts aus. „Muster 16 kommt immer wieder vor, ich haben jeden Tag einen ganzen Stapel.“ Dass eine Praxis generell keine elektronischen Verordnungen ausstelle, sei für sie in Ordnung. „Wir können die Patienten so oder so versorgen.“

Das E-Rezept sei grundsätzlich gut, wenn denn die Technik funktioniere. „Es gibt leider häufiger Ausfälle, das muss nicht immer bundesweit sein. Manchmal hängt sich hier der Konnektor auf und der Dienstleister muss kommen.“ Das E-Rezept an sich bringe „keine wahnsinnigen“ Vorteile. Nachteile sieht sie etwa in der mitunter verzögerten Signatur – besonders am Mittwoch- und Freitagnachmittag und bei Medizinerinnen und Medizinern, die digital nur generisch verordnen.

Ganz auf die TI zu verzichten, sei jedoch nicht langfristig gedacht, da sich das E-Rezept nicht aufhalten lasse, sagt Fetzer. „Ich kann Ärzte, die kurz vor dem Ruhestand sind, aber auch verstehen, wenn sie weiterarbeiten wie bisher.“

Dr. Ilka Enger behandelt einen Patienten. Mehr dazu im Artikel.
Enger scheut die Diskussion mit der KV nicht und betont, dass auch in den Bereitschaftspraxen keine digitalen Verordnungen genutzt würden.Foto: Zuckerengerl

Noch kein Ärger mit KV

Eigentlich sind Ärztinnen und Ärzte seit Anfang 2024 verpflichtet, E-Rezepte für gesetzlich Versicherte auszustellen. Ärger mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) hatte Enger bisher aber noch nicht. Die Ärztin betont, dass auch die KV-Notfallambulanzen nicht digital verordneten. „Die kann mir deshalb keinen Ärger mache.“ Zudem funktioniere die Technik nicht hundertprozentig. „Wenn man mich massiv zwingen würde, würde ich mir überlegen, meine Rente vorzuziehen.“

Wichtig sei nur, dass man sich rechtzeitig mit Blanko-Rezepten bevorrate. Doch das sei kein Problem. „Wir lassen sie nicht ausgehen. Wenn wir feststellen, dass wir nur noch 500 haben, bestellen wir nach.“

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