Sowohl in der Politik als auch bei vielen Leistungserbringern wird die elektronische Patientenakte (ePA) als Meilenstein der Digitalisierung im Gesundheitswesen betrachtet. Doch ihre Einführung verlaufe schleppend – und der erhoffte Nutzen für Ärztinnen, Ärzte sowie Patientinnen und Patienten bleibe bislang aus, kritisiert der Hartmannbund. Das Ergebnis sei Ernüchterung im Versorgungsalltag.
„Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem das Abwägen aller Eventualitäten hinter die Geschwindigkeit der Umsetzung treten sollte“, erklärt Dr. Moritz Völker, Vorsitzender der jungen Ärztinnen und Ärzte und Mitglied des Vorstands des Hartmannbundes.
Was jetzt zähle, sei die konsequente Umsetzung, denn fertige Module und Ideen lägen längst vor – dennoch stocke die Etablierung dieser in der Warteschleife. Um den Mehrwert der ePA hervorzuheben, müsse dieser erkennbar werden. Dazu müsse die bisher unzureichende Funktionalität eine deutliche Aufwertung erhalten. Es brauche echte Innovationen und Lösungen, die bisherige Kommunikations- und Arbeitsweisen revolutionieren.
„Stillstand gefährdet die Glaubwürdigkeit der Digitalisierung als Ganzes – ‚machen‘ wäre ein Lichtblick“, sagt Völker. Im Praxisalltag biete die ePA derzeit kaum Vorteile. Sie sei in ihrer jetzigen Form vor allem eine digitale Ablage analoger Prozesse und drohe damit, zu einem unsortierten Archiv zu werden. „So wird die ePA ein Datenfriedhof, der weder in der Versorgung noch in der Forschung wirklich genutzt werden kann“, so Völker weiter.
Neben Geschwindigkeit brauche es sinnvolle Innovationen. Die ePA müsse sich zu einem intelligenten Versorgungswerkzeug entwickeln: interoperabel, mit offenen Standards und anwenderzentriert. Neben der automatischen Integration von Laborbefunden, Bildgebung, Medikationsplänen und Ähnlichem müsse auch eine einfache Darstellung von Verläufen und Kumulativbefunden, ergänzt durch Trenddarstellungen und unkomplizierter Suchfunktion, verfügbar sein sowie perspektivisch KI-gestützte Analysen ermöglichen.
Zusätzlich müssten auch Notfalldaten wie Diagnosen, Allergien und aktuelle Medikation jederzeit einsehbar sein, und die ePA müsse aktiv unterstützen, etwa durch Warnhinweise bei Wechselwirkungen oder erforderlichen Dosisanpassungen. „Das schafft wirklichen Mehrwert in der Versorgung“, so der Hartmannbund.
Für Patientinnen und Patienten brauche es eine übersichtliche Oberfläche und einfache Zugänge sowie präventive Empfehlungen anhand der bestehenden oder sich abzeichnenden Diagnosen. Diese Innovationen müssten parallel in die laufende Einführung der ePA integriert werden.
Darüber hinaus sei es ein Ärgernis, dass die ePA zurzeit de facto ausschließlich im ambulanten Bereich Anwendung finde und die allermeisten Krankenhäuser von der Innovation abgehangen seien. Das dürfe so nicht akzeptiert werden, kritisieren die Ärzte.
Neben dem Nachjustieren der Klinikgeschäftsführungen brauche es dringend Bewegung von Softwareherstellern, im Idealfall durch verbindliche Qualitäts- und Leistungsanforderungen an PVS- und KIS-Hersteller. Denn nur wenn die technische Basis stimme, könne die ePA im Versorgungsalltag den versprochenen Nutzen tatsächlich entfalten und alle Leistungserbringer einbinden. Dazu gehöre auch ein gewisser Grad an Datenharmonisierung, welchen die Gematik von den Leistungserbringern einfordern solle – beispielsweise im Bereich der Labordiagnostik.
Die jungen Ärztinnen und Ärzte des Hartmannbundes fordern daher, die Weiterentwicklung der ePA spürbar zu beschleunigen und regulatorische Hürden für Innovationen zu reduzieren. Die Gematik solle dabei auch auf Leistungserbringer zugehen und Datenharmonisierung vorantreiben, etwa in der Labordiagnostik.
„Mit der ePA 3.0 ist der Grundstein gelegt – jetzt müssen die nächsten Schritte entschlossen folgen und dürfen nicht in einem digitalen Kompromiss enden. Der Hartmannbund steht mit seinen Mitgliedern im ambulanten wie stationären Bereich an dieser Stelle den beteiligten Akteuren gern beratend zur Seite.“
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