„Die andere Seite will nichts kaufen“

Verhandlungslösung: Ökonom ist skeptisch

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Düsseldorf -

In der Apothekenreform gebe es ein Ungleichgewicht erklärte Professor Dr. Uwe May auf dem OTC-Gipfel in Düsseldorf. Einerseits wolle man die Apotheke stärken und ihr mehr Verantwortung im Gesundheitssystem zuweisen; andererseits fehle es beim Thema Honorierung an der notwendigen Unterstützung.

„Es gibt ein Ungleichgewicht: Ja, man möchte mehr Apotheke, man möchte auf die Apotheke setzen. Auf der anderen Seite, wenn es dann um das Thema Geld geht, dann ist es nicht ganz so gut“, so May. Die Anpassung der 9,50 Euro sei nicht im Entwurf vorgesehen. Dabei sei es selbstredend, dass eine adäquate Gesamtvergütung die unabdingbare Basis für eine funktionierende Flächenversorgung und die Wahrnehmung neuer Aufgaben für die Apotheken sei.

Diese Grundvergütung sei die Basis für alle Leistungen der Apotheke. „Nur auf einer starken wirtschaftlichen Basis kann es überhaupt die Apotheke, die wir uns vorstellen und auch brauchen, geben.“ Somit sei auch die OTC-Medikation mit den 9,50 Euro verknüpft, denn sie diene auch zur Finanzierung der Beratungsleistung im Bereich der Selbstmedikation.

Das sei sogar ein sinnvoller Weg, „denn wir wollen eigentlich die Menschen motivieren, sich selbst zu behandeln. Wir wollen eigene Verantwortung fördern“, betonte May. Würde die OTC-Beratung direkt über die Packungspreise abgerechnet, würde dies zu höheren Preisen führen und Menschen von der Selbstbehandlung abhalten.

Statt des versprochenen Fixums werde in dem Reformentwurf nur die Verhandlungslösung mit dem GKV-Spitzenverband in Aussicht gestellt. Davon ist der Ökonom wenig begeistert: „Stellt euch vor, ihr wollt jemandem etwas verkaufen, aber die andere Seite will nichts kaufen.“

Anreize für Selfcare und Prävention

Zur flächendeckenden Versorgung erklärte er: „Jeder soll überall Zugang haben. Das kennen wir bei anderen Gütern nicht.“ Der Zugang solle zudem gleich sein. Im Prinzip sei es ein hoheitlicher Anspruch, diese Verfügbarkeit überall zu gewährleisten.

Die Inanspruchnahme der Beratungsleistung durch die Apotheken sei zudem aus gesellschaftlicher Sicht und aus gesundheitswissenschaftlicher Sicht wünschenswert. „Wir wollen, dass die Leute diese Beratung, diese Informationen aufnehmen.“ Besonders um die Compliance zu erhöhen, das würde Kosten sparen. Das Zauberwort sei der niedrigschwellige Zugang. „Das sind Menschen, die wissen, dass sie ein Problem haben. Sie haben aber keinerlei Hintergrund zu der Frage“, erklärt May.

Mehr Kompetenzen

„Wir brauchen mehr Eigenverantwortung im System. Wir brauchen mehr Selbstmedikation. Wir brauchen zudem definitiv mehr Prävention. Wir brauchen mehr Früherkennung“, erklärte er.

Die Reform müsse auch bei den Kompetenzerweiterungen noch progressiver denken: „Was kann man denn alles noch machen?“ Die Apothekenreform berücksichtige beispielsweise PoC-Tests für Streptokokken nicht. Die Patientensteuerung wäre so: Bei Patientenbeschwerden – beispielsweise ein Patient mit akuter Pharyngitis – könne ein Point-of-Care-Test in der Apotheke erfolgen und dann eine Überweisung zum Arzt, wenn nötig, um unnötige Antibiotika-Verordnungen zu vermeiden.

Auch Probeneinsammlung für Labortests in der Apotheke würde Barrieren reduzieren und die Früherkennung massiv steigern.

„Wenn Selfcare wichtiger und größer ist, dann ist auch die Apotheke wichtiger, und wenn die Apotheke als Institution wichtiger ist, wird auch Selfcare wieder wichtiger.“

OTC spart Geld

Ein Euro, der für OTC ausgegeben werde, spare im Durchschnitt für die Gesellschaft 14 Euro, das meiste davon für die Krankenkassen. „Also da müssen wir doch hinkommen. Und da brauchen wir auch konkrete Regelungen, und die können auch ein Teil der Reform sein, damit wir hier hinkommen, dass das öfter stattfindet.“

Eigenverantwortung, das klinge ja immer so unsozial, so egoistisch. Doch Eigenverantwortung sei doch auch ein Ausdruck von Solidarität, oder nicht? „Ich frage sie, wie unsozial ist es eigentlich, dass ich einen Euro sparen will und dafür der Gesellschaft 14 Euro aufbürde?“

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