„Abwertung unseres Berufes“

Kritik an PTA-Vertretung: Nur Lückenbüßer auf dem Land

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Berlin -

Mit gemischten Gefühlen blickt der Bundesverband Pharmazeutisch-technischer Assistentinnen und Assistenten (BVpta) auf den vom Kabinett beschlossenen Entwurf des Apothekenversorgungs-Weiterentwicklungsgesetzes (ApoVWG). Zwar wiesen einzelne Reformansätze grundsätzlich in die richtige Richtung, gleichzeitig blieben aber zentrale Punkte unklar, seien unausgegoren oder erneut vertagt worden.

Mit großem Unverständnis reagiert der BVpta auf die erneute Vertagung der Honoraranpassung für Apotheken. „Dass die wirtschaftliche Stabilisierung der Apotheken erneut auf ‚das nächste Jahr‘ verschoben wird, ist angesichts der dramatisch wirtschaftlichen Lage der Apotheken vor Ort nicht mehr vermittelbar“, kritisiert die Vorsitzende Anja Zierath. Gerade am Tag der bundesweiten Protestaktion „Versorgungsblackout“ werde deutlich, dass die strukturellen Probleme zwar erkannt würden, dennoch politisch nicht konsequent gehandelt werde.

Die wirtschaftliche Lage der Apotheken sei dramatisch. Eine weitere Vertagung der Honorarfrage sei unerträglich – für Apothekerinnen und Apotheker ebenso wie für die Apothekenteams insgesamt. Wenn Apotheken schließen müssten, gingen Arbeitsplätze verloren und die Versorgung breche weg. „Die Stärkung der Apothekerschaft ist auch im Interesse der PTA“, betont der BVpta.

PTA-Vertretung auf Probe

Kritisch bewertet der BVpta die nun im Kabinettsentwurf vorgesehene PTA-Vertretung, die ausschließlich in ländlichen Regionen und nur im Rahmen einer „praktischen Erprobung“ stattfinden soll. „Diese Differenzierung ist aus Sicht des Verbandes fachlich nicht nachvollziehbar und politisch problematisch: Eine PTA ist nicht besser oder schlechter qualifiziert, weil sie auf dem Land oder in der Stadt arbeitet.“

Kompetenz hänge nicht vom Standort, sondern von Ausbildung, Berufserfahrung und gezielter Weiterqualifizierung ab. Die Beschränkung auf ländliche Regionen vermittle den Eindruck, dass dort geringere fachliche Maßstäbe gelten würden – das sei inakzeptabel.

„Es ist völlig unverständlich, warum eine PTA in der Großstadt eine Tätigkeit nicht verüben darf, die einer PTA im ländlichen Raum zugetraut wird. Das spaltet Berufsgruppen und Regionen und löst kein einziges Versorgungsproblem und gefährdet die Akzeptanz der Reform!“

Qualifizierung und Vergütung

Die nun für die Vertretung festgelegten Voraussetzungen seien völlig unzureichend. Die Regelungen würden ernsthafte Fragen aufwerfen, insbesondere mit Blick auf die Qualifikation und die grundsätzliche Zielrichtung der Reform. Besonders kritisch bewertet der BVpta zudem, dass die ursprünglich vorgesehene zweijährige berufsbegleitende Weiterqualifizierung vollständig entfallen sei. Stattdessen solle eine PTA bereits nach formaler Berufserfahrung und interner Einweisung durch die Apothekenleitung zur Vertretung befugt sein.

„Mehr Verantwortung ohne verbindliche Weiterbildung ist keine Aufwertung, sondern eine Abwertung unseres Berufes. Wer PTA ernsthaft stärken will, muss in Qualifikationen investieren, nicht sie streichen“, fordert der BVpta. Die „praktische Erprobung“ bleibe inhaltlich vage und ersetze kein strukturiertes Qualifikationskonzept. Anstatt eines klaren Anforderungsprofils würden Parameter zugrunde gelegt, die sich einer objektiven Nachvollziehbarkeit entziehen. „Welche langjährige berufliche Erfahrung in welchen Tätigkeitsbereichen ist erforderlich? Und was ist mit langjährigen Teilzeitbeschäftigten? Land ja, Stadt nein?“

Ebenso unverständlich sei die im Entwurf vorgesehene „Sechs-Kilometer-Regel“, nach der im Umkreis keine weitere Apotheke vorhanden sein dürfe. „Wie werden diese sechs Kilometer eigentlich berechnet: Luftlinie, Fahrstrecke, Verwaltungsgrenze? Und mit welcher fachlichen Begründung? Diese Regel wirkt willkürlich und realitätsfern: In ländlichen Regionen können sechs Kilometer eine kurze Strecke sein oder unüberwindbar“, kritisiert der Verband. In Ballungsräumen dagegen würden sechs Kilometer teilweise dutzende Apotheken ausschließen.

Der BVpta fordert weiterhin, dass die Ausgestaltung der notwendigen Fort- und Weiterbildungsinhalte transparent, praxisnah und unter Einbindung der Berufsvertretungen erfolge. Die zweieinhalbjährige PTA-Ausbildung biete eine solide Grundlage – zusätzliche Anforderungen müssten realistisch, einheitlich und bundesweit nachvollziehbar geregelt werden. Dazu gehörten auch klare rechtliche Rahmenbedingungen, faire Vergütung und eine frühzeitige Einbindung der Berufsverbände in die weiteren Verordnungsprozesse.

Forderungen des BVpta

Die „Erprobung“ der PTA-Vertretung in dieser Form lehne man entschieden ab. Eine tageweise Vertretung könne nur dann verantwortungsvoll umgesetzt werden, wenn sie an klare Voraussetzungen geknüpft sei. Dazu zählten eine verbindliche, bundesweit einheitliche Weiterqualifizierung, die klare Abgrenzung zwischen Vertretung und Leitung und eine angemessene finanzielle Anerkennung der zusätzlichen Verantwortung.

„Mehr Verantwortung ohne Qualifizierung und ohne angemessene Vergütung ist keine Aufwertung, sondern eine Verschiebung von Verantwortung nach unten und erinnert doch sehr stark an Denkweisen von Herrn Lauterbach“, kritisiert der Verband. Man dürfe nicht zur „Lückenbüßerin“ für strukturelle Versäumnisse gemacht werden. „Wir sind keine billigen Ersatzkräfte!“

Klare Regeln ohne Alarmismus

Die Weiterentwicklung des PTA-Berufs dürfe nicht gegen Apothekerinnen und Apotheker ausgespielt werden, betont der Verband. Gleichzeitig brauche sie klare gesetzliche Leitplanken, damit neue Kompetenzen nicht missverstanden oder instrumentalisiert würden.

„Wir wollen Aufwertung ohne Konfrontation und klare Regeln ohne Alarmismus. PTA und Apothekerschaft gehören zusammen. Nur gemeinsam lässt sich die Versorgung sichern. Apotheken brauchen eine sofortige wirtschaftliche Stabilisierung. Diese darf aber nicht dadurch erkauft werden, dass Verantwortung nach unten delegiert wird, ohne Qualifikation, ohne Bezahlung, ohne klare Perspektive!“

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) müsse den Gesetzentwurf nachbessern, fordert der BVpta. Es brauche klare, verbindliche und bundesweit einheitliche Qualifizierungswege für PTA statt regionaler Experimente. Zudem fordert der BVpta die Aufhebung der willkürlichen Land-Stadt-Differenzierung, eine faire Vergütung für zusätzliche Verantwortung sowie eine sofortige wirtschaftliche Stabilisierung der Apotheken und eine klare Abgrenzung: Vertretung dürfe niemals die Leitung ersetzen.

„Die Aufwertung ohne Konfrontation ist unser Ziel, aber klare Regeln ohne Alarmismus bedeuten auch: klare rote Linien. PTA sind keine Notlösung und keine Sparmaßnahme. Wer uns mehr Verantwortung zutraut, muss uns auch entsprechend qualifizieren und bezahlen!“

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