Kommentar

Kassenlogik: Wenn die Nullrunde zu teuer ist

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Berlin -

Seit gestern ist die von der Abda als „Dialogphase“ bezeichnete Zeit abgeschlossen: Der erste Teil der Apothekenreform hat das Kabinett passiert. Trotz vorbildlichen Stillhaltens und zahlreicher Gespräche hat es die Kernforderung der Apothekerschaft – eine Honorarerhöhung nach mehr als einer Dekade Stillstand – nicht in den Gesetzentwurf geschafft. Zwar soll das Fixum im kommenden Jahr im Zuge grundlegender GKV-Finanzreformen erneut auf die Tagesordnung kommen. Doch selbst dieses vage Versprechen scheint anderen Akteuren im Gesundheitswesen bereits zu viel des Guten zu sein. Erste Kassen warnen bereits davor, dass die Apotheken aufgrund der fehlenden wirtschaftlichen Entlastung eine Art privilegierte Sonderstellung erhalten könnten, wenn es um künftige Sparanstrengungen im System geht. Die Gefahr ist, dass das Narrativ verfängt. Ein Kommentar von Lilith Teusch.

Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) ist gelungen, woran ihr Amtsvorgänger Karl Lauterbach (SPD) im vergangenen Jahr immer wieder scheiterte: Die CDU-Politikerin konnte ihre Apothekenreform durch das Kabinett bringen – mit teils erstaunlich ähnlichen Ideen. Es war ein zäher Endspurt: „Kurz vor knapp“ meldeten das Bundesfinanz- (BMF) und das Bundesjustizministerium (BMJ) weiteren Klärungsbedarf an. Über die genauen Streitpunkte drang wenig nach außen. Entsprechend spät lag der finale Kabinettsentwurf vor, der im Vergleich zum Referentenentwurf noch einige Änderungen beinhaltet.

Wie Abda-Präsident Thomas Preis erklärte, kannte auch die Standesvertretung den neuen Entwurf im Vorfeld nicht. Trotz der Strategie, bis nach dem Kabinettsbeschluss die Füße stillzuhalten, gab es gestern immerhin eine erste kleine Kampagne: Im Rahmen der Aktion „Blackout“ schalteten Apothekenteams das Licht in der Offizin aus, hängten Poster auf oder trugen Schwarz. Die Aktion erzeugte tatsächlich ein kleines Medienecho; unter anderem griff der „Spiegel“ den Protest auf.

Dennoch ist klar: Die Strategie der Abda, die Zeit bis zum Kabinettsbeschluss geduldig abzuwarten, ist nicht aufgegangen: Das Fixum, das Preis noch einen Tag vor dem Kabinettsbeschluss als „alternativlos“ bezeichnete, ist wieder einmal nicht enthalten. Die Apothekerschaft hat in der wertvollen Zeit vor dem Beschluss keinen nennenswerten öffentlichen Druck ausgeübt. Im Tausch für dieses Stillhalten ist weder das Fixum im Entwurf gelandet, noch wurden kritische Punkte wie die PTA-Vertretung komplett gestrichen – eindeutig ein schlechter Deal.

Dass die Apothekerschaft zeitnah tatsächlich eine Fixumserhöhung sieht, bleibt unwahrscheinlich. Im kommenden Jahr wird das prognostizierte Defizit der GKV sogar noch größer ausfallen als im laufenden. Warken verwies gestern nur auf die Finanzkommission, die sich 2026 mit Reformen zur Stabilisierung beschäftigen soll. Doch ob innerhalb dieser Legislaturperiode noch Reformen beschlossen werden, die rechtzeitig greifen und entsprechende Ressourcen freisetzen, darf bezweifelt werden.

Auch andere Massenmedien thematisierten die Reform: RTL erklärte in seiner Sendung „Punkt 8“, dass die Apothekerschaft seit 13 Jahren keine Honorarerhöhung mehr erhalten habe. Auch der Tagesspiegel Background berichtet über die Reform, legt den Fokus jedoch stärker auf die prekäre Lage der GKV-Finanzen. Es wird betont, dass sich Ministerin Warken trotz des Milliardenlochs in der GKV festlege: Die Erhöhung des Apothekenhonorars solle 2026 kommen. Mit Blick auf die leeren Kassen erklärt das Fachmedium: „Angesichts des erforderlichen GKV-Sparkurses ein gewagtes Unterfangen.“

Kein Fixum – trotzdem Sparen

Die Apotheken bekommen zwar kein Geld, doch selbst das reicht den Krankenkassen nicht. Trotz des Ausbleibens einer Honoraranpassung stürzen sich die ersten Kassenvertreter wie die Geier auf die Apothekerschaft. Sie befürchten nämlich, dass die Branche von Sparanstrengungen zur GKV-Stabilisierung ausgenommen werden könnte – und das nur, weil sie seit über einer Dekade beim Honorar in die Röhre schaut – natürlich ein No-Go!

So erklärte AOK-Chefin Carola Reimann, es bestehe die Gefahr, dass die Apotheken durch die bloße Zusage, das Fixum im nächsten Jahr zu beraten, von nötigen Sparbeiträgen befreit würden. Seit 2013 wurde das Honorar nicht angepasst, und auch jetzt wird die versprochene Erhöhung verweigert. Dennoch wollen die Kassen sich weiter bei den Apotheken bedienen. Zudem beansprucht die AOK erneut den pDL-Topf für sich: Die Gelder sollten zurückgeführt werden. Die neuen Dienstleistungen im Gesetz sind laut AOK ohnehin lediglich eine Strategie, um mehr Geld an die Apotheken auszuschütten.

Die AOK warnt außerdem vor der vorgeschlagenen Verhandlungslösung: Es könne ja passieren, dass die Apotheker – wie jeder andere Gesundheitsberuf auch – künftig jährlich über ihre Honoraranpassung verhandeln wollen!

Wo die Kassen nicht ansetzten wollen, sind die eigenen Verwaltungskosten. Im „kleinen Sparpaket“, das morgen noch Bundestag und Bundesrat passieren soll, ist vorgesehen, dass auch die Kassen bei sich selbst sparen müssen. Für diese Deckelung der Kosten hat der GKV-Spitzenverband natürlich bereits prompt Ausnahmen gefordert.

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