Eine vielschichtige Apothekenreform hatte Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) nach ihrem Amtsantritt versprochen. Was dann kam, war eine kleinteilige Liberalisierungsorgie, die frappierend an die Vorlage ihres Vorgängers Karl Lauterbach (SPD) erinnerte. Herausgekommen ist nun ein Kabinettsentwurf, der zu einem Kompromiss geraten ist, den niemand wollte und der von keiner Seite beklatscht wird.
Gut möglich, dass Warken anfangs gar nicht gewusst hat, welches Ei ihr ihre Mitarbeiter im Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit der Apothekenreform ins Nest gelegt hatten. Dass das fehlende Honorar ein Problem sein würde, war ihr bei ihrem Auftritt zum Deutschen Apothekertag (DAT) in Düsseldorf natürlich bekannt. Aber dass Themen wie die PTA-Vertretung, die Privilegierung von Filialverbünden und die Lockerungen bei Zweigapotheken die Apothekerschaft unter Lauterbach schon einmal auf die Palme gebracht hatten, könnte ihr zu diesem Zeitpunkt vielleicht noch unbekannt gewesen sein. Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Union, Simone Borchardt, gab unlängst zu Protokoll, dass sie die Maßnahmen anfangs für eine gute Sache gehalten habe.
Beim Kabinettsentwurf ist das BMG nun deutlich zurückgerudert. Die Umkehr der Dienstbereitschaft wurde gestrichen, die Raumeinheit wieder hergestellt. Bei der Verhandlungslösung wurde nachgebessert, beim Versandhandel wurden die Auflagen deutlich nachgeschärft. bei Filialbetrieben sind nur minimale Zugeständnisse übrig geblieben, statt der Zulassung von Mischkonstrukten wurde die persönliche Verantwortung der Inhaber sogar noch einmal nachgeschärft. Bei der Abrechnung von Rezepturen wurden ein Mittelweg gesucht, bei der Abgabe von Rx-Medikamenten könnten die Ärzte das letzte Wort behalten. Und bei Zweigapotheken wurde zumindest eine Kontrollinstanz beibehalten.
An der PTA-Vertretung hält das BMG zwar fest, präsentiert aber eine komplett neue Variante: Zur „Erprobung“ wird das Konzept eingeführt, allerdings nur auf dem Land und nur mit langjähriger Berufserfahrung. Im Gegenzug wurde die zweijährige Weiterbildung im Umfang von 650 Stunden gestrichen.
Und noch etwas ist komplett neu im Kabinettsentwurf – die Grenze von sechs Kilometern. Nicht nur bei der PTA-Vertretung, sondern auch bei der Zulassung von Zweigapotheken wird diese Entfernung plötzlich als neues Maß der Dinge eingeführt. Im Gegenzug wurde bei der Verhandlungslösung zunächst auf die angedachte Einführung von Geodaten verzichtet. Bislang hat es im deutschen Apothekenmarkt – anders als etwa in Österreich oder anderen Ländern – keine solche Bedarfsplanung gegeben. Auch dieser Grundsatz wird vom BMG ansatzweise außer Kraft gesetzt.
Beide Beispiele zeigen, wie im wahrsten Sinne des Wortes an der Reform herumgedoktert wurde. Angesichts der Detailfülle – und wohl auch angesichts des geschlossenen Widerstands – schien man im BMG mehr Arbeit in einzelne Formulierungen gesteckt zu haben als in das große Ganze. Das Resultat: Keiner ist mehr mit der Reform zufrieden.
Von Kammern und Verbänden kam trotz des Bemühens, ein ausgewogeneres Paket zu finden, abermals breite Kritik. Im Vordergrund steht dabei natürlich der Frust über die ausgebliebene Honoraranpassung, doch auch die anderen Regeln stoßen kaum auf Gegenliebe. Von einem „Apothekenabwrackprogramm“ spricht man im Saarland, vor „neuen Fallstricken“ warnt man in Rheinland-Pfalz. Und die Abda kündigt Widerstand im parlamentarischen Verfahren an; die Nachwuchsorganisation Abyou traf sich noch am Abend mit Borchardt, um nach Auswegen aus der Krise zu suchen.
Doch auch die anderen Beteiligten sind nicht glücklich. Anja Zierath vom BVpta hatte für eine vernünftige Vertretungsregelung gekämpft, dass PTA jetzt ohne Qualifikation einspringen sollen, kommt für sie einer Abwertung des Berufs gleich. Die Kassen warnen nicht nur vor Mehrausgaben, sondern auch davor, die Apotheken bei der nächsten Sparrunde auszunehmen. Und der Großhandelsverband Phagro ist frustriert darüber, dass anders als versprochen nun doch Gesetz und Verordnung getrennt voneinander auf den Weg gebracht werden.
Fakt ist, in der nunmehr dritten Auflage hat die Apothekenreform ihre schlimmsten Schrecken verloren. Applaus, so viel ist an Tag 2 nach Kabinettsbeschluss sicher, kann das BMG aber wohl von keiner Seite erwarten.