ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Wegen TI-Ausfällen: Das Konnektoren-Set wird Pflicht

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Berlin -

Diese Woche war es mal wieder so weit: Das E-Rezept – einst Hoffnungsträger der digitalen Gesundheitsrevolution – verabschiedete sich kollektiv in die Sommerpause. Ursache war ein Totalausfall bei mehreren VPN-Zugangsdiensten. Die Folge: Etliche Apotheken mussten mit Umsatzeinbußen klarkommen. Statt digitaler Effizienz ratterten die Faxgeräte im Dauertakt und der offizielle Workaround – das Muster-16-Rezept – wurde wieder aus der untersten Schublade herausgekramt. Doch damit ist jetzt Schluss! Die Gematik schreibt zukünftig ein Konnektoren-Set vor.

Ewald-Hartmut Steckerle kann den Backoffice-Bereich seiner kleinen Apotheke am Rand von Wuppertal längst nicht mehr einfach so betreten. Nein, er kämpft sich wie ein Dschungelforscher durch verkabeltes Unterholz, das täglich neue Auswüchse treibt. Zwischen Drucker, Kaffeemaschine und Kühlschrank schlagen sich seine Mitarbeiter:innen seit Mittwochabend durch ein Geflecht aus LAN-Kabeln, Ersatzroutern, Mehrfachsteckdosen und mysteriös blinkenden Kästchen, deren genaue Funktion bislang nicht abschließend geklärt werden konnte.

Das Chaos ist kein Zufall, sondern Teil eines noch streng geheimen Pilotprojekts der Gematik zur praxisnahen Erprobung neuer TI-Sicherheitskonzepte. „Wir haben ein Komplettpaket mit sämtlichen am Markt verfügbaren Konnektoren erhalten – inklusive zweier Modelle, die angeblich noch mit ISDN arbeiten“, erklärt Steckerle, während er mit geübtem Schwung über eine kolonisierte Dreiersteckdose steigt. „Das soll in naher Zukunft Pflicht für alle Apotheken werden.“

Der für ihn zuständige IT-Ansprechpartner – laut E-Mail-Signatur „Systemberater TI, Level Bronze“ – riet ihm im Zweifelsfall, „einfach mal jede Stunde den Hauptkonnektor umzustecken – das beruhigt das System“. Trotzdem ist ihm seither nicht mehr ganz klar, ob er sich gerade mit einem VPN oder doch dem Toaster verbunden hat.

Sollte der aktuell angeschlossene Konnektor schwächeln, soll Steckerle „so lange umstecken, bis ein Konnektor für mindestens 15 Minuten reibungslos funktioniert. Wenn er so lange durchläuft, besteht kein akuter Handlungsbedarf.“ Dass sich dabei im Backoffice die Netzteile, Kabeladapter und Stromleisten mittlerweile auf Knöchelhöhe stapeln, sei der Gematik durchaus bewusst. „Momentan können wir keine andere Lösung anbieten. Aber anstatt ständig zu klagen, ist das immerhin ein pragmatischer Ansatz, mit den ständigen Ausfällen umzugehen.“

Die Brandschutzbeauftragten der Apotheke schlagen seit Tagen nur noch die Hände über dem Kopf zusammen. Sie wünschen sich die Zeit zurück, in der eine dauerhaft durch einen Elefantenfuß geöffnete Sicherheitstür ihr größtes Problem war – und nicht ein stromhungriger Gerätewald, der bei jeder Umsteckaktion neue Funken der Verzweiflung versprüht.

Steckerle hat sich in kürzester Zeit als Pionier des „Parallelverkabelns“ etabliert, sodass ihn die Gematik inzwischen als Ansprechpartner für andere Apotheken empfiehlt. Sein improvisiertes Netzwerklabor betreibt er direkt neben dem Nasenspray-Lager, und statt Kittel trägt er mittlerweile einen Antistatik-Overall. Einen Kurs in „Strukturierter Kabelästhetik“ hat er ebenfalls schon gebucht. „Das korrekte Verlegen, Beschriften und Sortieren der Netzinfrastruktur will gelernt sein“, sagt er, während er gerade ein Paket Kabelkanäle auspackt.

Steckerle hat sich längst einen Namen gemacht: Verzweifelte Apothekeninhaber rufen ihn nachts an und bitten um Hilfe, wenn bei ihnen wieder einmal der Kabel-Dschungel kollabiert und das Personal weinend vor den vielen Steckern sitzt. Seine Leidenschaft gilt seit Mittwochabend auch der technischen Prozessoptimierung; in jeder freien Minute versucht er, seine TI-Infrastruktur zu verbessern. „Ich habe im Darknet ein paar Codes bekommen, mit denen ich Konnektoren re-registrieren kann, und eine Anleitung, wie ich mich per Fernzugriff in Systeme von Kollegen einwähle, um bei Ausfällen zu helfen. Wenn ich sehe, wie die anderen unter dem Kabelchaos zusammenbrechen, kann ich einfach nicht wegsehen.“ Steckerle will keinen Dank, wenn er hilft. Steckerle will nur, dass die E-Rezept-Belieferung läuft.

Ganz so schlimm ist es tatsächlich noch nicht, aber auch in dieser Woche legte ein E-Rezept-Ausfall die Apotheken für etwa sechs Stunden lahm. Die Probleme traten beim VPN-Zugangsdienst (Virtual Private Network) von Arvato Systems Digital auf. Die Stimmung in den Offizinen war dementsprechend schlecht. Manch einer stand kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Die vielen technischen Pannen beim E-Rezept seien laut einigen Inhaber:innen auch Grund für die Rückgänge von Rx-Einlösungen in der Apotheke vor Ort. Denn obwohl der Fehler oftmals nicht in der Apotheke zu verorten sei, bliebe bei den Kund:innen hängen, die Vor-Ort-Apotheke sei „unfähig“.

In diesem Sinne: Ein schönes Wochenende!

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