Immer mehr feste Notdienstkreise verschwinden. Denn die Apothekerkammern setzen auf Künstliche Intelligenz (KI), um die Dienste flächendeckend zu verteilen. In Baden-Württemberg ist man grundsätzlich zufrieden, doch am vergangenen Sonntag wunderte man sich in zwei notdiensthabenden Apotheken über die Zuteilung – denn die Betriebe liegen keine vier Kilometer voneinander entfernt.
Am Sonntag waren die Central-Apotheke in Altbach und die Apotheke am Markt in Plochingen für den Notdienst eingeteilt. Beide liegen östlich von Esslingen, der Kreisstadt des gleichnamigen Landkreises. Eine diensthabende Apothekerin bemerkte erst in der Nacht, dass die nächste Notdienst-Apotheke nur wenige Kilometer entfernt eingeteilt war. „Ich hatte ein Arzneimittel nicht vorrätig und habe geschaut, wer noch Dienst hat“, sagt sie. Mit der KI-Verteilung wisse man nicht mehr wie früher, wer noch die Stellung halte.
Die Pharmazeutin wunderte sich sehr, dass der Kollege in Plochingen und nicht etwa ein Betrieb in der knapp 100.000 großen Kreisstadt Dienst hatte. Denn immerhin befinde sich auch dort die Notfallpraxis. „So knapp voneinander entfernt sollten die Notdienst-Apotheken nicht liegen“, sagt sie. Tatsächlich sei der Dienst mit rund 80 Kundinnen und Kunden „relativ ruhig“ gewesen. „Das hat mich überrascht, weil doch in Esslingen keine Apotheke eingeteilt war.“
Die Verteilung sei am Sonntag „komisch“ gewesen, sagt Eberhard Laccorn, der die Markt-Apotheke pachtet. Ein Befürworter des neuen Systems, das seit Anfang des Jahres die Notdienste auswählt, ist er nicht: „Diese KI ist Quatsch“, so der 62-Jährige. Generell leisteten die Apotheken zu lange Notdienst. „Man sollte eigentlich um 22 Uhr zu machen.“ Andere Modelle etwa in Niedersachsen zeigten, dass auch das funktioniere. „Irgendwann wird sowieso das Dispensierrecht kommen.“
Besonders viel los war auch bei ihm nicht. Offenbar muss es in Esslingen in dieser Nacht ruhig gewesen sein. „Wir hatten 70 Leute, das ist nicht viel. Wir sind aber wegen der Fußgängerzone auch schwer für Notfälle zu erreichen.“
Bei der Kammer weiß man um die Einteilung am Sonntag. „Zu der von Ihnen geschilderten Situation ist es in diesem Jahr ein einziges Mal gekommen“, sagt eine Sprecherin. Grund sei eine unerwartet hohe Zahl an Apothekenschließungen in Esslingen. Deshalb habe ein Weg gefunden werden müssen, die verbliebenen Apotheken vor Ort nicht zu stark zu belasten und Notdienste geschlossener Apotheken gleichmäßig aufzuteilen. „Seither zählt die Altbacher Apotheke zum Esslinger Verteilungsgebiet und übernimmt Dienste geschlossener Apotheken aus Esslingen.“
Grundsätzlich sorge die Verteilung der Notdienste durch die KI für eine optimale Verteilung mit Berücksichtigung der Anzahl an Notdiensten für einzelne Apotheken und der Entfernung in Straßenkilometern. „Die Einführung des Systems verlief gut, die Dienste konnten insgesamt um knapp 20 Prozent reduziert werden und aus der Bevölkerung haben uns keine Beschwerden zur Neuverteilung erreicht.“
Das KI-System in Baden-Württemberg wird bereits von anderen Kammern genutzt. Es werde weiterhin darauf geachtet, die Wege so kurz wie möglich zu halten. Im Schnitt liegen demnach zwei notdiensthabende Apotheken acht Kilometer voneinander entfernt, in über 98 Prozent der Fälle sind es maximal 25 Kilometer. Ausnahmen würden immer im Einzelfall entschieden.