Kein ärztlicher Nachtdienst mehr

Notdienst: Umsatzeinbruch nach BSG-Urteil

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Berlin -

Apotheker und Coach Nikola Bošković aus der Paradies Apotheke in Andernach hält eine Anhebung der Notdienstgebühr auf 10 Euro für vertretbar und notwendig: „Meiner Erfahrung nach handelt es sich nachts selten um echte medizinische Notfälle.“ Dass sich nächtliche Notdienste in seiner Region immer weniger lohnen, hänge auch mit einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) zusammen, infolgedessen es keinen ärztlichen Notdienst nach 20 Uhr mehr in der Stadt gebe.

Das BSG hatte im Oktober 2023 entschieden, dass sogenannte Pool-Ärzte, die in Notfallpraxen arbeiten, als abhängig Beschäftigte gelten und deshalb sozialversicherungspflichtig sind. „Die Nachtdienste im Krankenhaus hier vor Ort wurden deshalb aufgegeben“, berichtet Bošković. „Die Notdienstambulanz hat noch bis 20 Uhr geöffnet.“ Demnach habe Adernach mit rund 30.000 Einwohnern keine nächtliche ambulante Versorgung mehr.

Umsatzeinbruch nach BSG-Urteil

Für die Apotheke hatte das einen Umsatzeinbruch zur Folge. „Wir haben abends nach 20 Uhr auf jeden Fall weniger Umsatz. Ich bekomme im Notdienst auch keine Rezepte aus dem Krankenhaus mehr.“ Vor der Umstellung kamen deutlich mehr Verordnungen am Abend aus der Notfallpraxis, erinnert sich der Apotheker. „Dort haben die niedergelassenen Ärzte aus der Umgebung gearbeitet – alle waren in der Apotheke bekannt, ebenso ihr ‚Verordnungssortiment‘, das wir meist vorrätig hatten.“

Bošković vermute für den Wegbruch zwei Gründe: „Die neuen Notfallpraxen sind weiter entfernt, deshalb gehen die Patienten in andere Apotheken. Viele – vor allem ältere und weniger mobile Patienten – machen sich gar nicht erst auf den Weg.“

Für eine akute ärztliche Versorgung müssen Betroffene jetzt auf die andere Rheinseite ins rund acht Kilometer entfernte Neuwied fahren. „Früher war es so, dass jeweils eine Apotheke auf beiden Rheinseiten Notdienst hatte.“ Die Luftlinie zwischen den Apotheken habe dann vielleicht zwei bis drei Kilometer betragen. „Aber es ist ein Umweg über die nächste Brücke zu fahren.“

Notdienstpauschale muss hoch

Bošković hat seine deutsche Approbation seit gut fünf Jahren und übernimmt seitdem als angestellter Apotheker einen Notdienst pro Monat. Grundsätzlich seien 2,50 Euro für das, was Apothekerinnen und Apotheker im Notdienst leisten, erheblich zu wenig.

Zwar werde versucht, die Dienste untereinander aufzuteilen. „Aber das ist nicht immer möglich. Mal ist jemand krank, mal jemand im Urlaub. Dann hat man 24 Stunden Notdienst und bleibt anschließend vielleicht noch bis Mittags.“ Seiner Erfahrung nach handele es sich nachts selten um echte medizinische Notfälle: „Aus Sicht der Patienten aber natürlich schon.“

Und die Rezepte, die ihn nachts jetzt erreichen, sind selten fehlerfrei. „Das nervt und kostet viel Zeit. Meistens fehlen der Arztname, die Dosierung, die N-Bezeichnung oder die PZN.“ Zudem würden immer öfter Wirkstoffe verordnet, die nicht oder nicht mehr in Deutschland zugelassen sind. „Oft haben wir dann nicht die Möglichkeit, den Arzt zu erreichen. In solchen Momenten würde ich mir für Apotheken eine direkte telefonische Verbindung zu den behandelnden Ärzten oder Notfallpraxen wünschen.“

Ein weiteres Ärgernis seien fehlende Noctu-Kreuze – inbesondere bei Verordnungen für Kinder. „Ich habe bislang nur zweimal den Fall gehabt, dass der Arzt tatsächlich ‚noctu‘ angekreuzt hat und die Kunden die Notdienstgebühr nicht selbst zahlen mussten.“ Insbesondere bei Verordnungen für Kinder empfinde der Apotheker das als unfair. „Für sie ist zurecht alles Mögliche umsonst und nur, weil der Arzt das Kreuz vergisst, muss für sie 2,50 Euro gezahlt werden.“

Tierarzt verlangt das 20-Fache

Eine Erhöhung der Notdienstgebühr von auf 10 Euro hält er deshalb für angemessen und vertretbar – vor allem vor dem Hintergrund, was in anderen Bereichen für ähnliche Dienste verlangt werde. „Ich habe seit einem Jahr eine Katze und mich beim Tierarzt informiert für den Notfall. Der berechnet 50 Euro Notdienstgebühr – plus die Grundkosten für die Behandlung.“

Da käme man als Apotheker durchaus ins Grübeln: „Bei einem solchen Betrag überlegt man sich gut, ob es sich gerade um einen Notfall handelt oder nicht.“ Das sei seiner Erfahrung nach im Apothekennotdienst grundsätzlich anders. „Ich helfe gerne, aber ich kann nicht verstehen, dass jemand zehn Tage Rückenschmerzen, Nagelpilz oder Verstopfung hat und es dann mitten in der Nacht im Notdienst gelöst haben will.“

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