Kommentar

Die Instrumente gezeigt

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Berlin -

3,15 Milliarden Euro sparten die Krankenkassen im vergangenen Jahr mit ihren Rabattverträgen. Dieser beträchtliche Betrag kommt zustande, weil die Kassen von mehreren Seiten Druck auf das System ausüben können: auf die Hersteller bei der Ausschreibung, auf die Ärzte bei der Verordnung und auf die Apotheker bei der Abgabe. Höherer Druck – größere Einsparung, so die einfache Rechnung, und die Kassen beherrschen diese Mathematik. Aktuell zeigt sich die AOK Niedersachsen kreativ darin, weitere Einspareffekte zu heben. Ein Kommentar von Alexander Müller.

Bei den Angeboten können sich die Kassen auf den Markt verlassen: Um einen exklusiven Rabattvertrag bei der AOK zu erreichen, gehen die Hersteller an die Produktionskosten, inoffiziell wohl auch mal darunter. Hier können die Kassen aktuell nicht mehr tun, als immer mehr Wirkstoffe unter Vertrag zu nehmen und das teilweise schon vor Patentablauf.

Die Ärzte werden über ihr Verschreibungsverhalten kontrolliert: Wer allzu oft ein Aut-idem-Kreuz setzt, wird zum Gespräch gebeten, im zweiten Schritt droht der Regress. Informationsschreiben an die Praxen gehören zu den wiederkehrenden Aktionen verschiedener Kassen.

In Niedersachsen wurde jetzt auch jede fünfte Apotheke von der AOK über ihre persönliche Rabattquote informiert. Dass die „AOK-Berater“ sogar zur Schulung in die Apotheke kommen, versteht die Kasse als Serviceangebot. In Kombination mit detaillierten Statistiken soll das Manöver aber vermutlich vor allem eines auslösen: das Gefühl, beobachtet zu werden.

Das Informationsschreiben an die Apotheker ist im Ton sehr freundlich, inhaltlich eher banal. Dass nur Präparate gleichen Wirkstoffs und aus derselben N-Klasse austauschbar sind, dürfte jeder Pharmaziepraktikant an seinem ersten Tag wissen. Dass bei bestehendem Rabattvertrag eine Nullretaxation droht, wenn die Substitution ohne ersichtlichen Grund ausbleibt, haben die Apotheker längst schmerzhaft gelernt. Diese Hilfestellung der AOK ist insofern ziemlich trivial.

Dafür hat es der zweite Teil der Aufklärungskampagne in sich: Die Kasse rechnet nicht nur die individuelle Rabattquote aus, sondern stellt auch den Durchschnittswert der Kollegen im besten Quartal gegenüber – ein erster Fingerzeig auf das Potenzial. Dann listet sie die Gründe, warum ein Austausch nicht stattgefunden hat, ebenfalls mit Vergleichswerten. Angeblich finden die Apotheken das interessant.

Die anschaulichen Säulen- und Kuchendiagramme könnten im Einzelfall aber auch einschüchternd wirken. Oder was sonst ist der Zweck jener Aufstellung, welche drei Hersteller der Apotheker am häufigsten abgegeben hat, wenn der Rabattpartner laut Sonder-PZN nicht verfügbar war? Die Kasse zeigt mit der privaten Rabattbilanz vor allem, dass sie den Apotheker im Blick hat, seine „Ausreden“ kennt – und seine Geschäftspartner. Damit geht die AOK Niedersachsen einen Schritt weiter als die AOK Nordost, die schon im Oktober eine Rabattvertragskampagne gestartet hatte. Das beste Fünftel kam bei der Umsetzung demnach auf 97,2 Prozent.

Im Ganzen ist das eine sehr charmante Art, den Apothekern die Folterinstrumente zu zeigen: Das Wort Retaxation taucht in dem Informationsschreiben kein einziges Mal auf. Höchstens zwischen den Zeilen.

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